
Noch sind die Folgen der Erweiterung des Kanzleramtes unklar. Der Bau einer weiteren Spreequerung ist jedoch völlig unsinnig.
Während im ganzen Land die Brücken einstürzen, wird in Berlin eine neue Brücke für den Transport von Akten gebaut. Dafür wurde im Februar 2024 einer der schönsten Uferwege für über ein Jahr gesperrt. Grund für die Sperrung des Magnus-Hirschfeld-Ufers ist der Neubau einer Brücke für den Erweiterungsbau des Kanzleramtes, 176 Meter lang führt sie über die Spree. Die Baukosten sollten 637 Millionen Euro betragen. Ob die derzeit aufgerufenen 777 Millionen Euro ausreichen werden, weiß heute niemand. Es sind aber sowieso schon 292 Millionen Euro mehr, als ursprünglich genehmigt wurden.
Erneut wurde das Büro Schultes Frank Architekten (Berlin) mit dem Entwurf und dem Bau beauftragt. Aus dem ehemaligen Kanzlergarten wird ein Betonklotz. Fortschritt, Umweltschutz, Homeoffice, Digitalisierung und Bürokratieabbau olé!
Immerhin ist die Promenade am Magnus-Hirschfeld-Ufer für diese Zeit eine Sackgasse, wodurch man diesen Ort fast menschenleer genießen kann. Ansonsten verschandelt die Baustelle nicht nur die ganze Gegend, sondern ist auch aus kosten- und umweltpolitischer Perspektive ein Skandal und eine Zumutung für die Anwohner. Der Bund vereinnahmt und riegelt diesen Ort hermetisch ab wie ein Staatsgeheimnis, was er wohl auch ist.
Bei dem Versuch, etwas an einem Containerfenster an einer der drei oder vier Baustellenzufahrten zu erfragen, wurde mir gesagt, dass man mich mittels der vielen Kameras bereits vor der Schranke als potenziellen Verdächtigen ausmachen würde. Die unterbezahlten Wachleute müssen wahrscheinlich erklären, wer ich war und was ich wollte. Sie sagten mir in vorauseilendem Gehorsam, dass es sich hier um das Kanzleramt handeln würde und ich nun mal schleunigst verschwinden sollte. Nachfragen unerwünscht.
Der Widerspruch zwischen den geschönten Visualisierungen und der Realität stellt sich noch besser auf den Bildern im Internet dar. Auf einer Visualisierung der Architekten sind zwei wunderschöne Weiden zu erkennen, die am Ufer vor dem Haus der Kulturen der Welt standen. Ja, standen, denn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden letzten Oktober frühmorgens um fünf Uhr die beiden Bäume so still und so heimlich wie nur möglich gefällt. Verantwortlich fühlt sich heute niemand dafür. Das übliche Verantwortungspingpong.
Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) hat auf Nachfrage Folgendes mitgeteilt. Zitat Bürgerservice, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 11. November 2024: „Die Fällarbeiten der beiden Weiden wurden mit dem Land Berlin und dem Bezirksamt Mitte abgestimmt sowie von diesen genehmigt.“ Das BBR benimmt sich im wahrsten Sinne des Wortes wie die Axt im Walde. Schlimm genug.
Als ich bei meiner Recherche die Mitarbeiter des K‑Hauses, der Weltwirtschaft sowie einige Passanten befragte, wusste niemand von den genauen Plänen. Die neue Brücke wird nämlich in voller Länge vor dem historischen Wahrzeichen Kongresshalle stehen. Niemand hatte sich bisher anscheinend Gedanken darüber gemacht.
Einige Mitarbeiter des K‑Hauses feierten an diesem Tag im hinteren Teil der Aussichtsterrasse mit guter Sicht auf die grässlichen Absperrungen lustig einen Geburtstag, ohne je einen Gedanken über diese Baustelle verschwendet zu haben. Die meisten Menschen nehmen auch diese krasse Baumaßnahme offensichtlich als gottgegeben hin. Und so laufen und radeln sie über Bretter und Rampen, ohne dieses kommende Desaster überhaupt zu ahnen oder gar infrage zu stellen.
Anscheinend war es für das BBR und die Architekten wichtiger, mit der Brücke dem Verlauf des Kanzleramtes – dem „Band des Bundes“ – zu folgen, statt den kürzesten und günstigsten Übergang zum anderen Ufer zu wählen oder ganz auf die Erweiterung zu verzichten. Es kann nur ein Bundesbeamter sein, der sich diesen Schildbürgerstreich erlaubt und dieses Projekt tatsächlich durch sämtliche Kontrollinstanzen gebracht hat.
Zu verlockend war es anscheinend, das anvertraute Geld der Bürger in die Hand zu nehmen und damit den Größenwahn eines Kanzleramtes zu wiederholen. Die beteiligten Firmen bedanken sich. So geht Wirtschaftsförderung aus Sicht der Regierung.
Sicher ist jedoch, dass sich nach der Fertigstellung alle über diese Brücke aufregen werden. So lange darf der Bund auch hier ungestört machen, was er will, mal wieder ein Stück Stadtbild zerstören, die wirklich wichtigen Dinge ignorierend.
Machen Sie im Frühling doch mal einen Ausflug dorthin. Im Tiergarten können Sie zumindest ohne Staubwolke einen Kaffee mit Aussicht trinken oder mit den Kindern den Dampfern zuschauen. Sehen Sie mit eigenen Augen, wo richtig viel Steuergeld versenkt wird. Aber das gute, alte Fahrgastschiff „Viktoria“ dreht weiter seine Runden und wird niemals untergehen. Hoffentlich passt es durch die neue Brücke.
Michael Hellebrand hat als Taxifahrer, Beleuchter an der Volksbühne, Filmvorführer am Zoo-Palast und Musiker gearbeitet. Bis 2023 war er Stadtführer und Rikschafahrer in Berlin. Heute ist der Lebenskünstler zweifacher Großvater.
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