Nur wenige Tage nach dem Mauerbau versuchte der 24-jährige Günter Litfin aus der DDR zu fliehen. Der junge Weißenseer schlich am Nachmittag des 24. August 1961 gegen 16 Uhr durch das Gelände der Charité und kletterte dann über eine Mauer nahe des Humboldthafens. Der Hafen sowie der Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal, der dann in die Spree führt, gehörten in ganzer Breite zu Ost-Berlin.
Litfin lief rund 40 Meter über den Uferstreifen, dabei wurde er von Angehörigen der Transportpolizei entdeckt. Sie fordern sie den Flüchtenden auf, stehenzubleiben, und gaben Warnschüsse ab. Trotzdem sprang Günter Litfin am Alexanderufer ins Wasser, um auf die andere Seite nach Moabit zu schwimmen. Daraufhin schossen die Grenzsoldaten gezielt und trafen den Flüchtenden in den Hinterkopf. Litfin dürfte sofort tot gewesen sein, trieb aber noch ganze drei Stunden im Wasser, bevor Ost-Berliner Feuerwehrleute ihn an Land zogen.
Währenddessen hatten sich auf Moabiter Seite Hunderte von West-Berlinern versammelt, die den Abtransport des Leichnams beobachteten und lautstark protestierten.
Günter Litfin hatte bis zum Mauerbau im West-Berlniner Charlottenburg gearbeitet und hatte dort auch eine Wohnung, war jedoch noch bei seiner Mutter in Weißensee gemeldet. In der Nacht des Mauerbaus schlief er dort, sodass er am 13. August nicht mehr zurück konnte. Deshalb versuchte er elf Tage später, die Flucht von Mitte nach Moabit. Besonders tragisch ist die Geschichte auch, weil die Familie gerade drei Monate zuvor den Vater verloren hatte. Bis zur Ermordung des jungen Mannes konnten sich die Menschen nicht vorstellen, dass Flüchtlinge tatsächlich erschossen werden. So war dieser Tod der erste einer langen Reihe von Tragödien, die durch das gezielte Erschießen von flüchtenden DDR-Bürgern ausgelöst wurden. Die Mörder erhielten 1997 nur eine symbolische Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung.
Auf Initiative seines Bruders Jürgen wurde die Erinnerung an Günter Litfin in der zur Gedenkstätte umgewidmeten ehemaligen Führungsstelle der Grenztruppen am Schifffahrtskanal bewahrt. In Weißensee erinnert zudem eine Straße an ihn.
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