Die Hauptstadt des kleinen Dänemarks, Kopenhagen, ist eigentlich eine ruhige Stadt. Sie hat etwas weniger Einwohner als Kreuzberg-Friedrichshain und Mitte zusammen, es gibt mehr Fahrräder als Autos, das Hippie- und Kifferparadies Christiania, viele bunte Häuser am Hafen und freundliche Menschen. Aber nicht nur.
Seit Jahrzehnten ist Kopenhagen auch immer wieder Schauplatz von Bandenkriegen und regelmäßig sterben dabei Menschen. Als ich in den 1980er Jahren dort lebte, gab es die ersten Kämpfe. Zu dieser Zeit beherrschte der Rockerclub Bullshit den Drogenhandel, vor allem in Christiania. In diesem Dorf am Rande der Innenstadt florierte der legale Verkauf von Haschisch, vom Staat toleriert. Die Rocker aber drückten Heroin und Kokain hinein, gegen den Willen der Bewohner. Diese konnten kaum etwas dagegen tun. Stattdessen gingen die Hells Angels gegen die Konkurrenz vor und blieben vorerst die Sieger.
Der richtige Krieg begann zehn Jahre später und zog sich von Finnland und Norwegen über Schweden bis nach Dänemark hin. Mit Sprengstoff, Handgranaten und Maschinenpistolen gingen Hells Angels und Bandidos sowie verbündete Gruppen wie Morbids, Outlaws oder Undertakers gegeneinander vor. Feindliche Mitglieder wurden z.B. auf dem Kopenhagener Flughafen erschossen, eine Autobombe gezündet, mehrmals wurde sogar mit Raketenwerfern auf die Clubhäuser der gegnerischen Clubs gefeuert. Innerhalb von zwei Jahren gab es 11 Tote und rund 100 Verletzte.
Die Hells Angels dominieren seitdem einen Großteil des Drogen- und Waffenhandels in Skandinavien. Doch seit den Nuller Jahren entwickelte sich in Kopenhagen eine neue Szene. Vor allem im nördlichen Stadtteil Nørrebro schlossen sich viele Nachkommen von Immigranten aus dem Nahen und Mittleren Osten zusammen. Ihre Gang „Loyal to familia“ (LTF) übernahm immer mehr die Kontrolle. Parallel dazu entstanden die „Brothas“, ebenfalls in Nørrebro, ebenfalls vor allem bestehend aus arabischen und pakistanischen Einwanderer-Jugendlichen und ebenfalls, um am Handel mit Marihuana und Heroin zu verdienen. Eines der Brotha-Mitglieder, Omar Abdel Hamid El-Hussein, war der Attentäter, der am 14. Februar 2015 in Nørrebro in ein Kulturcafé sowie eine Synagoge schoss und dabei zwei Menschen tötete, bevor er selbst erschossen wurde.
Während die Hells Angels in diesem Sommer vor allem mit sich selber beschäftigt waren, weil ein Teil ihrer Mitglieder zum neu gegründeten Club United Tribuns überliefen, eskalierte vor sechs Monaten der Konkurrenzkampf zwischen LTF und Brothas. Seit Juni gehen sie nun ebenfalls mit scharfen Waffen gegeneinander vor, aus Autos und von Motorrollern schießen sie aufeinander, in mehr als 30 Schießereien sind bisher drei Menschen getötet worden, darunter ein 16-jähriger Junge. Zwischenzeitlich hat die Polizei 50 Mitglieder festgenommen, mehr als 20 Schusswaffen beschlagnahmt und sie fahren massiv Streife, was aber nicht viel genutzt hat.
Stattdessen sind Bürger/innen des Stadtteils aktiv geworden. Die demonstrieren mit Fackelmärschen durch Nørrebro, teilweise sind es sogar die Mütter der Gangmitglieder. Eine der wichtigsten Moscheen hat im November Vertreter beider Gruppen zusammengebracht und einen Waffenstillstand ausgehandelt, der jedoch in der kommenden Woche ausläuft. Dass er danach weiter Bestand hat, daran glaubt kaum jemand. Zumal mit „Black Cobra“ und „Black Scorpions“ zwei weitere Gangs aktiv sind, die ebenfalls an Drogenhandel, Prostitution, Waffenschmuggel, Menschenhandel, Erpressung und Autodiebstahl verdienen. Und auch die Konkurrenz Hells Angels und United Tribuns schläft nicht. Es ist zu befürchten, dass Kopenhagen noch eine ganze Weile nicht nur die ruhige und beschauliche Stadt im Norden Europas ist.
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