“Wer den Swing in sich hat, kann nicht mehr im Gleichschritt marschieren”

Coco Schu­mann war einer der größ­ten Swing-Musi­ker Deutsch­lands, gebo­ren in Berlin und hier starb er gestern auch: Er spielte schon als Jugend­li­cher Gitarre und Schlag­zeug in verschie­de­nen Bands wie “The Swing Boys”.
Als soge­nann­ter “Halb­jude” durfte Schu­mann nach der Macht­über­gabe an die Nazis nicht mehr öffent­lich auftre­ten, erst recht nicht mit der damals so genann­ten “Neger­mu­sik” — Jazz und Swing galt den Barba­ren als “undeut­sche” Musik. Aber er hielt sich nicht dran:

“Also dieser Groschen­kel­ler hier in der Kant­straße, das war der Treff­punkt der Jazzer, wie wir damals sagten. Wenn ne Kontrolle kam von der Reichs­mu­sik­kam­mer, die haben alle Leder­män­tel gehabt und Schlapp­hüte. Dann stell­ten wir einen oben hin, der bekam vom Wirt, den nann­ten wir Vati, mit nem Rausche­bart, ein Bier spen­diert. Und unten stand auch einer. Und wenn da so zwei Typen kamen mit Leder­man­tel und Schlapp­hü­ten, hat der runter­ge­pfif­fen. Und der unten pfiff. Und wir haben sofort von einem Tiger Rag oder so ne ameri­ka­ni­sche Nummer auf Rosa­munde oder sowas umge­schal­tet. Und dann kamen die runter. Und wenn die dann alles für in Ordnung befun­den haben, weil wir so schön deut­sche Schla­ger­mu­sik spiel­ten oder Marsch­mu­sik, dann sind die weg. Und alle haben sich unten totge­lacht im Groschen­kel­ler.
Wir spiel­ten im Groschen­kel­ler nur verbo­tene Musik. Es gab ja auch Rassen­schande, wie die Nazis es nann­ten. Ich habe reich­lich Rassen­schande getrie­ben. Und irgend­ei­ner, dem ich die Braut ausge­spannt hatte, hat raus­ge­kriegt, dass ich den gelben Stern mit der Aufschrift ‘Jude’ nicht trug. Im März 43 wurde ich zum Alex­an­der­platz zur Krimi­nal­po­li­zei hinbe­stellt. Und die über­gab mich der SS.”

Schu­mann kam ins Konzen­tra­ti­ons­la­ger There­si­en­stadt, 1944 nach Ausch­witz, kurz vor der Befrei­ung nach Dachau. Er über­lebte, blieb Musi­ker, lebte zeit­weise in Austra­lien. In den 1990er Jahren besann er sich aber wieder auf seine Wurzeln, grün­dete in Berlin das Coco-Schu­mann-Quar­tett. Bis zu seinem Tod im Alter von 93 Jahren spielte er noch fast täglich.

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