RIAS Berlin

Eine wich­tige Insti­tu­tion während der Teilung Berlins war der RIAS (Rund­funk im ameri­ka­ni­schen Sektor). Anfangs war er als Propa­gan­da­sen­der im Kalten Krieg gedacht, doch schon bald wandelte er sich zu einem der belieb­tes­ten Radio­sta­tio­nen – mit Hören in beiden Teilen der Stadt.
Begon­nen hatte er am 7. Februar 1946 als Draht­funk im ameri­ka­ni­schen Sektor (DIAS) mit seinen ersten Sendun­gen aus dem Fern­mel­de­amt in der Winter­feld­straße. Empfan­gen konn­ten DIAS mit seinem sieben­stün­di­gen Programm nur die Berli­ner, die über einen noch unbe­schä­dig­ten Tele­fon­an­schluss verfüg­ten.
Dr. Franz Basté, Inten­dant des DIAS, gab in seiner Begrü­ßungs­rede den Hörern der ersten Stunde ein Verspre­chen, das über 46 Jahre Program­ma­tik und Verpflich­tung des Senders blei­ben sollte:
„In allem, was wir senden, werden Sie uns strikt neutral finden. Auswahl und Form unse­rer Nach­rich­ten werden unge­färbt und sach­lich sein. Wer immer etwas Wesent­li­ches zu sagen hat, wird es bei uns sagen können, welche Rich­tung und Welt­an­schau­ung er auch vertrete, wenn gewisse selbst­ver­ständ­li­che Gren­zen gewahrt blei­ben, die uns gezo­gen sind. Die Forde­rung, die wir uns stel­len, lautet: das möglichst Beste für so viele wie möglich!“
Noch im Septem­ber des glei­chen Jahres wurde der DIAS-Draht­funk zum Rund­funk-Mittel­wel­len­sen­der RIAS. Dazu wurden zwei ausran­gierte Sender der US-Army in Britz zur Sende­sta­tion umge­baut. 1948 bezog der „RIAS Berlin“ das Funk­haus in der Kufstei­ner Straße. Seit dem 1. Okto­ber 1950 wurde das Programm über UKW ausge­strahlt.

In weni­gen Jahren wurde die Station zu einer der wich­tigs­ten Infor­ma­ti­ons­quel­len der Front­stadt Berlin und der sowje­ti­schen Zone. Im sich verschär­fen­den Ost-West-Konflikt sah er sich als „Freie Stimme der freien Welt“ den Menschen­rech­ten, der Demo­kra­tie und der deut­schen Wieder­ver­ei­ni­gung verpflich­tet. Dabei waren es bald eher die kultu­rel­len Sendun­gen, die mit ihren inter­na­tio­na­len Akzen­ten Maßstäbe setz­ten und deren erfolg­rei­che Unter­hal­tungs­pro­gramme weit über das eigene Sende­ge­biet hinaus zur Popu­la­ri­tät West-Berlins und des Hörfunks in Deutsch­land beitru­gen.

Trotz des jahre­lan­gen Einsat­zes von Stör­sen­dern durch die DDR blieb der RIAS auch im Osten leben­dig und beliebt. Für viele ostdeut­sche Bürger bedeu­tete der RIAS vor allem nach dem Mauer­bau eine Möglich­keit, sich aus der Sicht des Westens zu infor­mie­ren. Dabei versuchte der RIAS auch immer, einen Kontakt zu den DDR-Hörern aufzu­bauen, indem stän­dig Adres­sen in West-Berlin durch­ge­sagt wurden, die für kurze Zeit als Kontakt für Briefe aus dem Osten fungier­ten. So sollte eine Kontrolle durch DDR-Organe erschwert werden. Und tatsäch­lich erreich­ten am Tag bis zu 1.000 Briefe aus der DDR den Sender.

Wich­tige Statio­nen des RIAS:

  • Der RIAS kulti­vierte bestimmte Sende­for­mate und brachte bundes­weit bekannte Jour­na­lis­ten und Enter­tai­ner hervor. Schon am ersten Sende­tag sprach Fried­rich Luft. Seine „Stimme der Kritik“ fand über 40 Jahre lang jeden Sonn­tag­mit­tag seine Thea­ter-inter­es­sierte Hörer­schaft und ist damit die längste Live­se­rie in der Geschichte des deut­schen Rund­funks.
  • Am 17. Februar 1946 – also zehn Tage nach Sende­be­ginn – stand das erste Hörspiel auf dem Programm: „Our little town“ von Thorn­ton Wilders. Die ab 1947 wöchent­lich ausge­strahl­ten Hörspiele wurden aufgrund ihrer lite­ra­ri­schen und darstel­le­ri­schen Quali­tä­ten in den Folge­jah­ren mit zahl­rei­chen Prei­sen ausge­zeich­net.
  • Am 6. Juli 1947 begann Onkel Tobias vom RIAS und beglei­tete die Kinder Berlins viele Jahre.
  • Weih­nach­ten 1948: Günter Neumanns Premiere des legen­dä­ren Funk­ka­ba­retts „Die Insu­la­ner“. Die insge­samt 149 Folgen schrie­ben nicht nur Rund­funk­ge­schichte, sondern sind ebenso aus dem deut­schen Nach­kriegs­ka­ba­rett nicht mehr wegzu­den­ken.
  • Während der Blockade 1948/49 sendete der RIAS aus Laut­spre­cher­wa­gen, die durch die Stadt fuhren, da die West-Berli­ner nur wenige Stun­den Strom am Tag hatten und so auch kein Radio hören konn­ten.
  • 1949 begann der Sender mit seiner erfolg­rei­chen Sende­reihe Funk­uni­ver­si­tät: Ihr Ziel war es, moderne wissen­schaft­li­che Frage­stel­lun­gen und Forschungs­er­geb­nisse für den Laien begreif­bar darzu­stel­len.
  • Im Februar 1951 wurden zwei weitere neue Sendun­gen einge­führt: In Wo uns der Schuh drückt nahm der Regie­rende Bürger­meis­ter Ernst Reuter (und später seine Nach­fol­ger) zu aktu­el­len Proble­men in der Stadt Stel­lung.
  • Die gleich­zei­tig anlau­fende Reihe Es geschah in Berlin wurde zu einem wahren Stra­ßen­fe­ger: In fast 500 Folgen berich­tete der RIAS in Zusam­men­ar­beit mit der Krimi­nal­po­li­zei von Straf­ta­ten mit krimi­nel­lem und poli­ti­schem Hinter­grund.
  • 40 Jahre lang über­lebte das im Sommer 1951 einge­führte RIAS Schul­klas­sen­ge­spräch: Hier brachte der Sender Jugend­li­che zur Diskus­sion mit dem Regie­ren­den Bürger­meis­ter zusam­men.
  • John Hendrik star­tete 1958 mit seinem Club 18 die bald popu­lärste Jazz-Sendung im deut­schen Rund­funk. Dabei wurden Jazz-Konzerte auch live über­tra­gen.
  • In unmit­tel­ba­rem Zusam­men­hang mit dem Mauer­bau am 13. August 1961 entwi­ckelte der RIAS – aus der Situa­tion heraus – das Genre des Maga­zins. Poli­ti­sche Kommen­tare, Inter­views und Live-Repor­ta­gen vor Ort wech­sel­ten sich ab. Bald kopier­ten auch andere Sender dieses Format.
  • Mit „Musik kennt keine Gren­zen“ begann der RIAS nur zwei Wochen später seine Gruß-Sendung. Viele tausend Menschen aus beiden Teilen der Stadt sand­ten sich über die Jahre persön­li­che Grüße.
  • Hans Rosen­thal betrat 1965 die Funk­bühne. Am 7. März mode­rierte er zum ersten Mal das Klin­gende Sonn­tags­rät­sel.
  • Im Jahre 1985 wurde RIAS 2 als junge Welle profi­liert, um spezi­ell jüngere Berli­ner anzu­spre­chen. Mit aktu­el­ler Musik­aus­wahl, kompak­ten Infor­ma­tio­nen und star­ker Einbe­zie­hung der Hörer schlug der Sender in Ost und West wie eine Bombe ein.
  • Ab 1988 versuchte sich der RIAS auch im Fern­se­hen: RIAS-TV sendete ab dem 22. August vorerst wochen­tags im Vorabend­pro­gramm, schon im Okto­ber auch als „Früh­stücks­fern­se­hen“. Schwer­punkt waren Nach­rich­ten und Maga­zin­sen­dun­gen.
  • 1992 dann die Auftei­lung des RIAS. Der TV-Sektor wurde der Deut­schen Welle ange­glie­dert und ist dort als Deut­sche Welle Fern­se­hen sehr erfolg­reich.
  • Der Rund­funk wurde gesplit­tet: Während der RIAS als Deutsch­land­ra­dio unter dem Dach der ARD und des ZDF werbe­frei weiter­sen­det, wurde RIAS 2 zum Privat­sen­der r.s.2.
  • Im Mai 1992 ging die Geschichte des eins­ti­gen Rund­funks im ameri­ka­ni­schen Sektor zu Ende und damit ein wich­ti­ges Stück der Berli­ner Nach­kriegs­ge­schichte.

Fan-Website mit vielen Infor­ma­tio­nen und Hörbei­spie­len des RIAS

(Dieser Arti­kel erschien ursprüng­lich zum ersten Mal am 8.12.2009)

print

Zufallstreffer

Weblog

Bulimie bei Hertie

Offen­bar hat es sich noch nicht bis zu Hertie herum­ge­spro­chen, dass Buli­mie, also Mager­sucht, eine gefähr­li­che Krank­heit ist, die den Betrof­fe­nen das Leben kosten kann. Anders kann ich es mir nicht erklä­ren, dass die Kauf­haus­kette […]

7 Kommentare

  1. Hans Rosen­thal betrat schon 1948 die Rund­funk­bühne im RIAS zunächst aber nicht am Mikro. Soweit ich mich erin­nere begann seine Serien-Quiz­sen­dung “Wer fragt gewinnt” dann Mitte der 50iger Jahre.

  2. Hans Rosen­thal wech­selte 1948 vom Berli­ner Rund­funk zum Sender RIAS und war dort u.a. für die Sendung “Mach mit” von Ivo Veit als Redak­teur zustän­díg. Ab 1954 war er dann selbst am Mikro­fon mit der Quiz­sen­dung “Wer fragt-gewinnt” und als Leiter des monat­li­chen Kanba­retts “Die Rück­blende”. Später folg­ten zahl­lose Sendun­gen wie “Spaß muß sein”, “Allein gegen alle” (ab 1963), “Das klin­gende Sonn­tags­rät­sel”, “Frag mich was”, “Da ist man sprach­los”, u.v.a.

  3. Das monat­li­che Kaba­rett “Die Rück­blende” (von 1954 — 1979) war auch zeit­weise im ARD-Fern­se­hen zu sehen.

  4. rias abso­lut inter­res­sant, hätte gerne mehr über den onkel tobias vom rieas erfah­ren, eben so über onkel sebas­tian, der immer am mitt­woch ausstrahlte, und bei dem ich als kind im chor mitge­sun­gen habe, war um 1960. gibt es davon noch aufzeich­nun­genm, inter­res­siert mich bren­nend

  5. Mal eine Frage, der RIAS-Kinder­chor ist wohl für Google nicht exis­tent?
    Immer, wenn ich suche, bekomme ich den “Kammer­chor”. Der einzige echte Tref­fer war ein Video mit Rudolf Schock und dem RIAS Kinder­chor.
    Ansons­ten.… Google gibt sich Mühe, aber spuckt irgend­wie nur irgend­wel­che RIAS-Chöre oder Kinder­chöre aus.
    Nun dachte ich hier, etwas über den RIAS Kinder­chor zu erfah­ren…

  6. In diesem Zusam­men­hang mit dem RIAS dürfen diese Namen eigent­lich nicht unter den Tisch fallen:

    Barry Graves!!! https://de.wikipedia.org/wiki/Barry_Graves

    Zusam­men mit der unver­ges­se­nen Legende Walter Bach­auer aka Clara Mond­schein waren die beiden die Sperr­spitze der damals soge­nann­ten “progres­si­ven Musik” im RIAS. http://www.studio89.de/info_ror.php

    Auch Olaf Leit­ner war dabei. https://de.wikipedia.org/wiki/Olaf_Leitner

    An den “Onkel Tobias vom RIAS” kann ich mich noch sehr gut erin­nern.

    Auch die Hörspiel­se­rie “Herr Kanz­lei­rat Ziepke” aus der Reihe “Damals war’s — Geschich­ten aus dem alten Berlin” ist mir noch gut erin­ner­lich.
    Hab ich in Moabit gehört auf Zelle 546, Haus 5. Kann man alles hier noch­mal anhö­ren http://rias1.de/sound4/rias_/hoerspiel/damalswars/damalswars_01_bis_40.html .

    Und heute? Gut, daß ich nicht mehr in Berlin lebe sondern in Belgien. Hier gibt es noch gutes Radio .…

    Grüße aus der Wallo­nie | Peer

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*