Straßenumbe­nennungen

Am Wochen­­ende wurde das Kreuz­berger Gröben­ufer an der Spree umbe­nannt in May-Ayim-Ufer. Seit 1895 nach dem bran­den­bur­gisch-preu­ßi­schen Kolo­ni­al­pio­nier benannt, erin­nert der Name nun an eine Akti­vis­tin gegen Kolo­nia­lis­mus und Rassis­mus. May Ayim war Mitbe­grün­de­rin der afro-deut­schen Bewe­gung, Dich­te­rin und Pädago­gin.  Ob der eins­tige Namens­ge­ber nun ein wirk­lich böser Kolo­ni­al­herr war, darüber gehen die Meinun­gen jedoch ausein­an­der. Vielen älte­ren Kreuz­ber­gern ist das Gröben­ufer aber aus ganz ande­ren Grün­den in nega­ti­ver Erin­ne­rung: Von 1972 bis 1975 kamen hier vier kleine Jungs ums Leben, die beim Spie­len in die Spree gefal­len waren. Die 5 bis 9 Jahre alten Kinder durf­ten von der West-Berli­ner Feuer­wehr nicht geret­tet werden, weil die Spree hier in voller Breite zur DDR gehörte. Lieber ließ man also die Kinder ster­ben, als Grenz­zwi­schen­fälle zu riskie­ren.

Stra­ßen, die an Kolo­nia­lis­ten benannt wurden, gibt es in Berlin noch viele. Etwa 50 Namen erin­nern bis heute an die dama­li­gen “Helden”, die dem Kaiser oder seinen Vorgän­gern den Platz an der Sonne sichern soll­ten. Im Afri­ka­ni­schen Vier­tel im Wedding wurden nicht nur die Namen der eins­ti­gen Kolo­nien auf den Stra­ßen­schil­dern verewigt, sondern auch die eini­ger ihrer Erobe­rer. An Gustav Nach­ti­gal, Wegbe­rei­ter des deut­schen Kolo­nia­lis­mus in Afrika, erin­nert der große zentrale Platz des Vier­tels. Von dort führt eine Straße Rich­tung Norden, die zu Ehren von Carl Peters benannt wurde. Peters war zutiefst rassis­tisch und maßgeb­lich an der Entste­hung der Kolo­nie Deutsch-Südwest (heute Nami­bia) betei­ligt. Sein Spitz­name “Hänge-Peters” sagt eini­ges über ihn aus. 1986 wurde die Straße umbe­nannt, aller­dings wieder in Peter­s­al­lee. Seit­dem erin­nert sie an Hans Peters, einem akti­ven Gegner des NS-Regimes und späte­rem CDU-Abge­ord­ne­ten.

In Mitte gibt es bereits seit Jahren Bestre­bun­gen, die Mohren­straße umzu­be­nen­nen — und sei es nur in Möhren­straße, denn immer wieder werden die Stra­ßen­schil­der entspre­chend verän­dert. Dabei halten viele den Namen gar nicht für rassis­tisch. Er bezieht sich auf die Mauren (aus Maure­ta­nien in Nord­afrika ), die hier um 1700 von Fried­rich Wilhelm I. ange­sie­delt worden sind.

Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen haben oft Konflikt­po­ten­zial. Nach­dem der Axel-Sprin­ger-Verlag erreicht hatte, dass die Straße am Berli­ner Verlags­sitz nach seinem Grün­der benannt wurde, wollte die linke Konkur­renz nicht nach­ste­hen. Die “Taz” betrieb jahre­lang den Plan, die vor ihrer Straße verlau­fende Koch­straße in Rudi-Dutschke-Straße umzu­be­nen­nen. Immer­hin sah sie sich in dessen Tradi­tion. Dem Axel-Sprin­ger-Verlag sollte zudem als Adresse eines seiner Gegner während der 68er Zeit aufge­drückt werden. Das hat jedoch nicht geklappt, der Sprin­ger­ver­lag zog mit seinem Eingang einfach auf die andere Seite des Komple­xes, sodass ihn die im April 2008 einge­führte Umbe­nen­nung nicht mehr betraf. Trotz­dem unter­stützte er natür­lich den Protest der CDU dage­gen, aber das war man sich schon aus eige­nen Selbst­ver­ständ­nis heraus schul­dig.

Über­haupt kommt es bei Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen oft zu Protes­ten. Sie haben verhin­dert, dass der Name Treit­schke (nach einem Anti­se­mi­ten) in Steglitz vom Stra­ßen­schild verschwin­det, bei der Reichs­sport­feld­straße waren die Anwoh­ner jedoch erfolg­los. Sie heißt seit 1997 nach den Gebrü­dern Flatow, die erfolg­rei­che Sport­ler waren, als Juden jedoch im NS-Staat verfolgt und schließ­lich ermor­det wurden.

Eine ganz andere Geschichte hat der Kaiser­damm, eben­falls in Char­lot­ten­burg. Bereits eine Woche nach dem Tod von Konrad Adenauer wurde sie 1967 nach ihm benannt. Doch wenig Berli­ner waren davon begeis­tert, zumal Adenauer der Stadt eher distan­ziert gegen­über­stand. Es gab zahl­rei­che Proteste, sodass der Bezirk die Straße ein Jahr später wieder zurück benannte. Dass der alte und neue Namens­ge­ber Kaiser Wilhelm II. nun besser ist als Adenauer, darf man aller­dings bezwei­feln.

Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen sind norma­ler­weise nichts Unge­wöhn­li­ches, vor allem aber nach Regime­wech­seln sind sie die Regel. Gleich drei große Wellen gab es im vergan­ge­nen Jahr­hun­dert: Mit der Macht­über­gabe an die Faschis­ten 1933, dann nach dem Ende der Nazi­zeit ab 1945 sowie nach der Wieder­ver­ei­ni­gung 1990. Natür­lich wollte nach dem Natio­nal­so­zia­lis­mus kaum noch jemand einen Adolf-Hitler-Platz in der Stadt haben. Dass aber Anfang der Neun­zi­ger Jahre über 800 Stra­ßen in Ost-Berlin umbe­nannt wurden, war eindeu­tig über­trie­ben. Immer­hin stehen solche Namen für die reale Geschichte der Stadt, auch wenn sie einem nicht mehr genehm ist.

Bei der Säube­rung der jewei­li­gen Geschichte werden dann auch miss­lie­bige Erin­ne­run­gen wie an Fritz Schmen­kel wegge­schrubbt, der als Front­sol­dat während des Russ­land-Feld­zugs deser­tierte und sich den Parti­sa­nen anschloss. Dafür dürfen sich aber die Hohen­zol­lern einer eige­nen Straße erfreuen, wie auch Paul von Hinden­burg oder Manfred von Richt­ho­fen, der im Ersten Welt­krieg der erfolg­reichste Jagd­flie­ger der Kaiser­li­chen Luft­waffe war.

Manche Umbe­nen­nun­gen aller­dings machen einen eher ratlos. Demnächst erhält in Char­lot­ten­burg der Holt­zen­dorff­platz einen neuen Namen. Der Profes­sor Johann Holt­zen­dorff trat im 19. Jahr­hun­dert gegen die Todes­strafe auf, bemühte sich um eine Verbes­se­rung des Straf- und Gefäng­nis­we­sens, grün­dete den Lette-Verein und mehrere Volks­kü­chen mit. Statt seiner wird der Platz künf­tig an den Film­his­to­ri­ker und Schrift­stel­ler Sieg­fried Kracauer geden­ken. Warum der eine nun gehen muss und der ande­ren kommen darf, bleibt unklar.

Dafür gibt es aber doch Ausnah­men, die rich­tig froh machen. So erhielt eine Nummern­straße in Marzahn den Namen des Rock­mu­si­kers Frank Zappa. Und eine ehema­lige Gewer­be­straße in Fried­richs­hain wurde nach Tamara Danz benannt, die Sänge­rin der DDR-Rock­band Silly.

print

Zufallstreffer

Berlin

Denkmal für verfolgte Anwälte

Während der NS-Zeit gab es viele Grup­pen von Verfolg­ten. In erster Linie waren das natür­lich die poli­ti­schen Nazi­geg­ner aus den Reihen der Kommu­nis­ten und Sozi­al­de­mo­kra­ten sowie dieje­ni­gen, die aus rassis­ti­schen Grün­den Repres­sio­nen erfuh­ren, vor allem […]

Moabiter Orte

Europacity

Als Klaus Wowe­reit in den Nuller­jah­ren der Regie­rende Bürger­meis­ter von Berlin war, begann die Planung für das größte Neubau­pro­jekt seit der Wieder­ver­ei­ni­gung. Damals konnte sich noch kaum jemand rich­tig vorstel­len, was es bedeu­tet, ein komplett […]

3 Kommentare

  1. “manche umbe­nen­nun­gen machen einen eher ratlos”

    …in diesem falle nicht. Die holt­zen­dorffstr. mündet in den holt­zen­dorff­platz. Die strasse und damit der name bleibt erhalten.Just am neuen kracau­er­platz wohnte sieg­fried kracauer mit ehefrau lilly.Beide mußten in der nacht des reichs­tags­bran­des (28.2.33) nach paris flie­hen. am 10.6. 14uhr erfolgt die umbenennung.Bist recht herz­lich vor ort einge­la­den.

  2. Aro,
    die sache ist leider kompli­ziert und trau­rig zugleich. Der platz sollte sieg­fried kracauer gewid­met werden.(d.h. Siegfried-Kracauer-Platz)Die grünen im bezirk wollen aber keine männer mehr benen­nen. Der kompro­miß in der bvv(spd/gruene) gegen cdu/fdp/linke) kracauerplatz(mit unter­schild zur ehrung für lilly und sieg­fried kracauer)
    wer es mit der stadt oder der wurst verwech­selt, ist es dann selbst schul­dig

Schreibe einen Kommentar zu Aro Kuhrt Antworten abbrechen

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*