In der Nacht zu gestern brannten in Steglitz zwei Fahrzeuge des Immobilienkonzerns “Deutsche Wohnen” (DW) aus. Der Polizeiliche Staatsschutz geht von Brandstiftung aus, die Autos wurden komplett zerstört.
Die DW, die vor allem durch einen rigiden Mieterhöhungskurs bekannt ist, hat in den vergangenen Jahren Tausende von Mieter*innen in die Verzweiflung getrieben. Vor allem in der jetzigen Mietsituation, in der es in Berlin praktisch keine bezahlbaren Wohnungen mehr gibt, wird der Ruf nach einer Enteignung dieses Immobilienriesen immer lauter. Unter anderem gibt es dazu eine Initiative, die an einem entsprechenden Volksbegehren arbeitet. Teile des Berliner Senats lehnen diese Forderung ab, darunter auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), obwohl das Grundgesetz diese in einem solchen Fall explizit zulässt. Schon der Artikel 14 sagt: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Im folgenden Artikel 15 steht:
„Grund und Boden (…) können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“.
Dass die Verfechter der „freien Marktwirtschaft“ – man kann es auch zügellosen Kapitalismus nennen – gleich wütend von „kommunistischen Methoden“ schwadronieren, entspricht ihren Interessen. Selbst den bürgerlichen Gewerkschaften wird aus dieser Ecke gerne eine kommunistische Ideologie unterstellt. Dabei handelt es sich bei der geforderten Enteignung gar nicht um eine solche, denn dann würden die Enteigneten gar keinen Ersatz dafür bekommen. Stattdessen geht es um Sozialisierungen, was bedeutet, dass in diesem Fall die Deutsche Wohnen eine Entschädigung erhalten würde. Wie hoch diese ist, darüber gibt es keine festen Vorschriften und bisher auch keine Vergleichsfälle. Sicher ist aber, dass diese nicht dem sog. Verkehrswert der Immobilien entsprechen würde.
Dies muss aber auch nicht sein, denn dieser Wert ist rein virtuell. Die Grundstücke und Gebäude sind in den vergangenen Jahren auch ohne Sanierung in ihrem Wert extrem gestiegen, einfach aufgrund der Wohnungsnot in Berlin. Und an dieser Wohnungsnot sind die großen Immobilienkonzerne aufgrund ihrer unverschämten Mietsteigerungen maßgeblich mit verantwortlich. Warum sollte das also noch durch eine möglichst hohe Entschädigung belohnt werden?
Im Laufe des Jahres werden die Berliner*innen die Möglichkeit haben, für ein Volksbegehren zu stimmen, das zum Ziel hat, einen Volksentscheid zu erreichen. Ziel davon ist nicht die eigentliche Enteignung, sondern dass Abgeordnetenhaus und Senat ein „Vergesellschaftungsgesetz“ beschließen. Dieses ist dann die Grundlage dafür, der Deutschen Wohnen gegen deren Willen einen Teil ihres Eigentums gegen Entschädigung abzunehmen und an die städtischen Wohnbaugesellschaften zu übergeben. Diese sollen dann nicht den maximal möglichen Gewinn aus den Immobilien ziehen, sondern für sozialverträgliche Mieten sorgen.
Das alles ist natürlich ein weiter Weg. Für viele heutige Mieter*innen der DW ist er zu weit, sie zahlen schon jetzt oft die Hälfte oder mehr ihres Einkommens für die Miete. Dass sich bei denen nicht nur Verzweiflung, sondern auch viel Wut aufstaut, ist verständlich. Sicher gab es deshalb viele, die gestern klammheimliche Freude verspürt haben, als sie von den ausgebrannten Autos gehört haben. Natürlich ist es lächerlich, den entstandenen Schaden von vermutlich einigen zehntausend Euro mit den Gewinnen der Firma zu vergleichen. Sie zahlen ihn aus der Portokasse. Und natürlich meldeten sich auch sofort diejenigen zu Wort, die meinten, „Gewalt ist das falsche Mittel“. Aber die Gewalt geht von denen aus, die zu Tausenden Menschen aus ihren Wohnungen schmeißen, weil diese sie nicht mehr zahlen können. Gewalt ist es, wenn sie gezwungen werden, auf der Straße zu leben, weil nirgends mehr bezahlbarer Wohnraum existiert. Gewalt ist es, unzählige Menschen in die Verzweiflung zu treiben, sie psychisch zu quälen, nur um des Profits Willen!
Zwei angezündete Autos werden das nicht ändern. Sie spielen eher denen in die Hände, die das Treiben der DW verteidigen oder sogar davon profitieren. So jammert die „Immobilien Zeitung“, es wäre dadurch eine neue Eskalationsstufe erreicht. Als wäre die Politik der Deutschen Wohnen keine Eskalation.
Natürlich ist die Aktion nur ein Versuch, einen Protest gegen einen scheinbar übergroßen Gegner zu schaffen. Zwei kaputte Autos ändern erstmal nichts. Aber sie zeigen, dass es Menschen gibt, die sich wehren und sich nicht kapitulierend zurückziehen.
Die scheinheilige Verurteilung des Anschlags, auch durch Politiker, ist peinlich und diskreditiert sie selbst. Man kann die Aktion falsch finden, auch kontraproduktiv. Aber sie ist wenigstens ein Ausdruck davon, dass Konzernen wie der DW auch auf der Straße Widerstand entgegengesetzt wird.
Am 6. April gibt es übrigens eine Möglichkeit, sich auf andere Weise gegen den Mietenwahnsinn zu wenden. Dann findet in Berlin eine Groß-Demonstration, die von Mitte nach Treptow führt und sich gegen die Mietenpolitik von Konzernen wie der Deutsche Wohnen richtet.
Man kann kann ja auch mal die zuständigen Minister an ihren Eid erinnern, den sie bei Amtsantritt geleistet haben und der da lautet: Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Schaden von ihm wenden, welcher Bundesminister oder welche Bundesministerin und entsprechende Ressortleiter/in der Stadt Berlin können ruhigen Gewissens behaupten, keinen Meineid geleistet zu haben!
Du hastest recht: Das Innenministerium verurteilt die Autobrände “aufs Schärfste”. Der Präsident des Immobilienverbandes IVD behauptet, der Senat würde die Eskalation schüren: “Wer tagsaus, tagein die Immobilienwirtschaft dämonisiert (…) nimmt auch Gewalt in Kauf.”
Klare Umkehrung der Tatsachen, die größere Gewalt geht von DW und Venovia aus!
http://hauptstadtpilot.de/2018/03/verwertungsdruck/
Beim Thema Wohnen bin ich immer wieder dankbar, dass ich nicht in einem der Ballungszentren leben muss, wo die Mieten durch die Decke gehen.
Hier bei uns wird der Wohnungsmarkt in weiten Teilen durch Genossenschaften bestimmt. Auch da ist sicher nicht alles nur heile Welt, die Mitlieder haben aber immer noch Einfluss auf die Geschäftspolitik. Es gibt Beiräte usw..
Natürlich war es ein Fehler aller Kommunen, wenn sie ihre kommunalen Wohnungsunternehmen mit hohem Sanierungsstau für den berühmten Apfel und Ei an Investoren verhökert haben.
Wohnraumversorgung ist für mich genau wie Nahverkehr, Wasser und Strom/Fernheizung eine öffentliche Daseinsfürsorge(pflicht) des Staates.
Den Zug, der damals bei den Verkäufen abgefahren ist, jetzt zu stoppen und um 180° zu drehen, wird schwer und richtig teuer.
Anschließend befürchte ich, wenn Finanzsenatoren oder die Kämmerer Milliarden ausgeben müssen, um wieder staatlichen Wohnraum zu erwerben oder zu schaffen, dann werden auch diese eine entsprechende Gewinnabführung und Refinanzierung der Investitionen erwarten und fordern. Dann fängt alles von vorne an. Auch die Mieten der öffentlichen Wohnungen werden erhöht, gleichzeitig werden die Häuser kaputtgespart. Dann ist der Sanierungsstau wieder so hoch, dass man beschließt einen privaten Investor zu suchen. Den Rest kennen wir.….
Da komme ich dann wieder zu den Genossenschaften: hier sind ja die Wohnungsnutzer Miteigentümer des Ganzen, es wird also sehr breit jedenfalls ein “Teil-Wohneigentum” gebildet bzw. geschaffen. Vielleicht noch nicht die perfekte Lösung, für mich aber eine sehr schöne Alternative.
Gruß Frank
Ansichten einer klugen und kundigen Frau (ab ca. Minute 1:00) zum Thema Mietpreise:
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