Wandbilder in Berlin dokumentiert

Schon vor über hundert Jahren wurden in Berlin Häuser mit Wand­bil­dern bemalt. Fast immer waren es die Brand­mau­ern an den Haus­sei­ten und meist wurden groß­flä­chige Werbe­bil­der gemalt. Nach dem Krieg ist diese Tradi­tion noch für ein paar Jahre weiter­ge­führt worden, doch ab 1975 entstan­den plötz­lich ganz neue Bilder, die nichts mit kommer­zi­el­ler Werbung zu tun hatten. Ben Wagin war es, der mit einem riesi­gen Wand­bild über fünf Etagen eine ganz andere Botschaft auf die Wand malte: Der Welt­baum am S‑Bahnhof Tier­gar­ten beklagte die Umwelt­zer­stö­rung, 43 Jahre lang mahnte er neben der Straße des 17. Juni. Als er 2018 durch einen Neubau verdeckt wurde, malte andere Künstler*innen ihn in Moabit erneut an die Wand und rette­ten so den Welt­baum.

Danach folg­ten die Wand­bil­der der Hausbesetzer*innen und auch immer mehr Eigen­tü­mer ließen die Fassa­den ihrer Gebäude bema­len. Nach dem Mauer­fall begann ein wahrer Boom, in allen Bezir­ken entstan­den die soge­nann­ten Murals, darun­ter in Fried­richs­felde auch das größte Wand­bild der Welt.

Die Themen waren längst nicht mehr begrenzt. Oft sind es einfa­che Alltags­sze­nen, viele Comics, Tiere, Blumen. Manch häss­li­che Fassade erhielt per Farbe Erker und Verzie­run­gen, Brand­wände hatten plötz­lich schein­bar Fens­ter und Balkone, aus einer fährt ein Schiff heraus, auf ande­ren ist ein ganz ande­res Haus drauf gemalt. Heute gibt es allein in Berlin auf Hunder­ten von Wänden opti­sche Täuschun­gen, schein­bar histo­ri­sche Meis­ter­werke oder Remi­nis­zen­zen an promi­nente Künst­ler oder Sport­ler.

All diese Werke, mal mehr, mal weni­ger kunst­voll, hat die Berli­ne­rin Doris Rieck in jahre­lan­ger Arbeit foto­gra­fiert. Seit 20 Jahren ist sie mit ihrer Kamera in Berlin unter­wegs, um die Bilder zu doku­men­tie­ren. Und weil sie auch viel in Deutsch­land und der Welt umher­reist, kommen zu den Aufnah­men von 860 Berli­ner Wänden noch Hunderte andere dazu, von Bran­den­burg bis nach Argen­ti­nien. Mehr als 1.300 Wände hat sie auf ihrer Website mitt­ler­weile vorge­stellt, ein Teil davon haben auch Freunde und Bekannte foto­gra­fiert. Im Laufe der Jahre hat sie auch einen Teil der Künst­ler kennen­ge­lernt, manch­mal beglei­tet sie sogar die Entste­hung der Bilder vor Ort mit der Kamera.

Längst gibt es viele der Wand­bil­der gar nicht mehr, sie sind hinter Neubau­ten verschwun­den, wie auch der erste Welt­baum. So ist Doris Rieck zur Doku­men­ta­rin einer vergäng­li­chen Kunst gewor­den, die täglich viele Menschen erfreut, verwun­dert, verstört und manch­mal viel­leicht auch ärgert.

Nach vielen Jahren ist gestern nun ihre komplett über­ar­bei­tete Website online gegan­gen, in der Tausende von Fotos einen Einblick geben in das weite Feld der Wand­bil­der in Berlin. Wer sich erst­mal hinge­setzt hat und sich durch die ersten Bilder klickt, kommt so bald nicht mehr vom Bild­schirm los. Und sie oder er bekommt einen ganz beson­de­ren Einblick in unsere Stadt.

www.wandbilderberlin.de

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