Corona-Blockwart

Ja, wir sollen alle Abstand halten, auch wenn das oft gar nicht geht. Ob es nützt, weiß ich so wenig wie alle ande­ren, aber in der Regel halte ich mich auch daran. Selbst wenn das z.B. im Bus gar nicht funk­tio­niert. Aber egal, besser ein biss­chen, als gar nicht und letzt­lich ist es auch vom Zufall abhän­gig, ob es einen erwischt oder nicht.

Nicht dass ich die Bedro­hung unter­schätze, so ist es nicht, aber leider treffe ich derzeit immer wieder auf hyste­ri­sches Verhal­ten, das ich nicht mehr nach­voll­zie­hen kann. Da gehen Leute, die einem auf dem Bürger­steig entge­gen­kom­men, auf die Straße, um an mir vorbei zu laufen. Und das machen sie bei jedem. Andere motzen einen aggres­siv an, wenn man nur zwei Meter hinter ihnen in der Schlange vor der Post steht: „Da ist doch hinten noch genug Platz!“

Gestern Nach­mit­tag im Sonnen­schein in einem Park in Steglitz: Die Wege waren nicht beson­ders voll, viel­leicht alle 30 Meter liefen Pärchen oder einzelne Menschen. Einer davon war ich. Seit sechs Wochen habe ich einen leich­ten Husten, wie jedes Früh­jahr. Meine Ärztin schaut es sich wöchent­lich an, alles kein Thema. Ich hüstelte nur sehr wenig, als etwa 20 Meter vor mir eine Frau auf mich zustürmte. Es war ein Wunder, dass sie das über­haupt bemerkt hat, gehört haben kann sie das Hüsteln nicht. Sie schrie mich an, ob ich denn wahn­sin­nig wäre, mit Corona in den Park zu gehen. Natür­lich sagte ich, dass das ein norma­ler Husten sei, nichts weiter, aber das inter­es­sierte sie nicht. Dabei kam sie mir mit ihrem Gesicht so nahe, dass ich sie mit Sicher­heit anste­cken könnte, wäre ich infi­ziert. Ich lachte sie nur aus und ging weiter. Sie zückte ihr Tele­fon und rief die Poli­zei, aber ich setzte meinen Spazier­gang fort.

Vorges­tern wurden zwei Nach­barn, die bei uns hinterm Haus im Garten gegrillt haben, von einem Haus­be­woh­ner im drit­ten Stock beschimpft, sie soll­ten gefäl­ligst nicht zusam­men­sit­zen. Danach rief er die Poli­zei, die ziem­lich genervt auf ihn reagierte, als sie ankam. Da die beiden in einer Wohnung zusam­men­woh­nen, dürfen sie auch gemein­sam gril­len und essen, belehrte einer der Beam­ten den Mann. Dieser sah das aber nicht ein und beschimpfte die Poli­zis­ten. Er schrammte wohl haar­scharf an einer Belei­di­gungs­an­zeige vorbei.

In extre­men Situa­tio­nen tritt oft der wahre Charak­ter des Menschen hervor, heißt es. Jetzt in der Corona-Krise ist das vermehrt zu beob­ach­ten. Die Unsi­cher­heit macht natür­lich vielen Angst, trotz­dem halte ich manche Reak­tio­nen einfach nur für über­trie­ben. Sie bringt eine neue Spezies hervor, die Corona-Block­warte, die offen­bar nichts ande­res zu tun haben, als ande­ren Menschen das Leben schwer zu machen und sie anzu­zei­gen. Und zwar nicht, weil sie von ihnen gefähr­det wären, sondern einfach aus Prin­zip. In Moabit wurde vor einer Haus­tür gesprüht: „Hier wohnt ein Coro­na­in­fi­zier­ter!“

Man liest derzeit zwar viel von Soli­da­ri­tät und die ist auch klasse. Aber ein bestimm­ter Typ Bürger, der schon immer gerne Hilfs­she­riff sein wollte, sieht jetzt seine Stunde für gekom­men. Am Liebs­ten würde er wohl die (angeb­lich) Infi­zier­ten bei leben­di­gem Leib verbren­nen. Mir macht so etwas mehr Angst, als die Gefahr der Infi­zie­rung mit dem Virus.

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1 Kommentar

  1. Au weia. Ja, ich finde auch, dass dieser Virus eines tut. Er offen­bart die wahren Chark­tere der Menschen beson­ders deut­lich — im Guten wie im Schlech­ten. Ich erlebe, wie viele Menschen die die Vorsichts­maß­nah­men befol­gen so gut es geht und andere diese komplett igno­rie­ren. Auch ich werde zenti­me­ter­nah “ange­gan­gen” oder mit dem Rad über­holt. Deswe­gen schätze ich zur Zeit beson­ders die Ort, die menschen­leer sind. Es sind para­do­xer­weise genau die Orte, die zuvor am volls­ten waren. In den Parks laufen und fahren Menschen, die gefühlt zuvor noch niemals spazie­ren gingen. Viel zu voll! Und dass wir Deut­schen einen beson­dern Hang zur Denun­zia­tion und Obrig­keits­hö­rig­keit haben ist ja auch keine Neuig­keit. Hier hatte ein Herr Hitler halt beson­ders leich­tes Spiel. Diese Tatsche macht mir auch viel Angst. Bleibt nur zu hoffen, dass die Poli­ti­ker diese Krise gut mana­gen um nicht danach den Zulauf zur AFD — von der man ja gerade nüscht hört — noch zu verstär­ken. Gnade uns Gott!

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