Wenn zu DDR-Zeiten die Mitglieder des volkseigenen Politbüros von Wandlitz zur Arbeit nach Mitte fuhren, machte die Vopo schon vorher die Straßen frei. Der Querverkehr wurde gestoppt und die schicken Volvos konnten ohne anzuhalten durchrasen. Eine Begegnung mit dem gemeinen Volk, zum Beispiel an der roten Ampel, war nicht erwünscht. Ganz so schlimm ist es heute nicht mehr, obwohl die Spitzenpolitiker sicher mehr gefährdet sind, als die damaligen.
Nehmen wir unsere Bundeskanzlerin. In den vergangenen Wochen ist sie mir in Mitte gleich viermal begegnet, einmal zwar nur virtuell, aber dreimal leibhaftig.
Am nähsten kam ich ihr beim Einkaufen im größten Supermarkt ihrer Gegend. Dort soll sie jede Woche auftauchen, und wenn sie für ihren Gatten und sich Porree besorgt, dann sind natürlich immer auch ein paar Sicherheitsleute dabei. Die passen auf, dass einfache Taxifahrer wie ich der Dame nicht zu nahe kommen und dass sie nichts klaut. Am Ende des Einkaufs wird sogar noch eine extra Kasse für die Kanzlerin aufgemacht.
Ein anderes Mal stand ich an der Taxihalte am Pergamonmuseum, direkt neben Angela Merkels Wohnhaus. Donnerstag hat das Museum etwas länger auf, da lohnt sich das Warten auf Fahrgäste manchmal. Statt Kunden oder Kanzlerinnen kam aber ein Taxi. Es reihte sich vor mir ein, fuhr allerdings auf den Bürgersteig und der Fahrer stieg aus. “Na, mal sehen, ob Mutti schon zuhause ist”, sagte er und grinste. Bei Schließen der Jacke sah ich sein Pistolenholster. Er begrüßte die anderen Polizisten, die dort Wache stehen, und verschwand im Haus.
Nur ein paar Tage später, gleiche Stelle, war zwar das “Taxi” nicht da, dafür aber brach plötzlich große Hektik aus. Ich stand neben dem Auto und beobachtete ein paar junge Touristen, die mit dem Wachschutz direkt am Eingang sprachen, als die plötzlich ganz aufgeregt die Touris wegschickten. Die verstanden aber nichts und so brüllte einer der Wachen “Du sollst hier verschwinden”. Offenbar denkt er, Ausländer verstehen die deutsche Sprache besser, wenn man sie brüllt statt spricht. Eingeschüchtert kamen die kanadischen Studenten in meine Richtung, als ein Funkwagen mit Blaulicht ankam und über Lautsprecher einen Radfahrer anbrüllte, er solle auf die andere Straßenseite fahren. Schon waren auch die schwarzen S‑Klasse-Mercedese da, innerhalb von Sekunden sprangen Sicherheitsleute heraus und für einen winzigen Moment konnte ich in ihrer Mitte die blonden Kanzlerinhaare im Haus verschwinden sehen.
Vor ein paar Tagen wackelte Angela Merkel vor mir sogar mit dem Hintern. Am späten Abend war ich Unter den Linden auf Fahrgastsuche, vor mir nur zwei schwarze Autos. Da die Straße komplett leer war, gab ich Gas und näherte mich den beiden, natürlich völlig arglos. Da sie ganz rechts fuhren, wollte ich sie in der dritten Spur überholen, aber das fanden sie nicht so gut. Auf einmal scherte der hintere Wagen nach links aus, um mich am Überholen zu hindern. Blöd nur, dass er eine glatte Stelle auf der Straße erwischt hat und wir gerade an einer leichten Biegung waren. Er wackelte also mit dem Hintern (das kommt davon, wenn man Hinterradantrieb hat) und wäre fast dem Alten Fritz in die Arme geflogen. Im selben Moment aber fing er sich noch und gemeinsam bogen sie rechts ab, um die Kanzlerin in den wohlverdienten Feierabend zu fahren.
Was lernen wir daraus? Ehemalige FDJ-Sekretärinnen haben offenbar weniger Personenschutz als amtierende Staatsratsvorsitzende. Aber zu nahe kommen darf man ihnen trotzdem nicht.
Das erinnert mich gerade ein wenig daran, wie ich mich mal versehentlich in eine Polizeikolonne eingereiht habe ;)
Sonderlich begeistert waren sie nicht, aber auf der Autobahn und offensichtlich in Eile sind sie mich auch nicht losgeworden :)
Du treibst Dich ja verdächtig oft in der Nähe von “Mutti” rum.
Wie erkennt man denn eigentlich, dass “Mutti” vor einem herfährt bzw. wie ist ihr Kfz-Kennzeichen? B‑001?
Schade dass sie vermutlich nie diesen Eintrag lesen wird. Dann verstünde sie ein klein wenig, warum Politiker so unbeliebt sind. Übrigens scheint dieser Umgansgton international zu sein.
Als ich letztes Jahr in Budapest einen Uniform tragenden Menschen (der allem Anschein nach eine aufrecht auf dem Bordstein stehende geöffnete Getränkedose bewachte) fragte, was für ein Gebäude das vor uns sei, bellte er sehr grob “THE PARLIAMENT!”
Ich entschuldigte mich ganz verdattert, dass ich als Tourist irgendwas hatte wissen wollen…
Nur wenig später fragte mich ein Amerikaner, der dies wohl gesehen hatte, was ich den den Cop gefragt hätte, dass er so ausfallend geworden sei.
@ Sash
Herrlich :-) Ich habe das mal bewusst gemacht, vor ein paar Jahren, und es hat genützt:
http://www.berlinstreet.de/76
@ Klaus
Nein, das ist dann vielleicht eher für Deinen Namensvetter, den anderen Klaus W., reserviert ;-)
Aber Blondschopf, 200 Meter vor ihrer Wohnung und dann nachts. Und Guido kommt ja eher nicht in Frage.
@ malenki
Sicher Budapest? Das hört sich eher preußisch an. Frei nach zahlreichen Erfahrungen: “Warum darf ich hier nicht durch fahren?” — “WEIL ICH DAS SAGE!”
Also wirklich international.
@Aro
Na dann ist es halt einer dieser Null-Nummern, mit denen in Berlin gehäuft gefahren wird.
Und dass Klaus W. nicht nur ein Kürzel für mich sondern auch für unseren Regierender ist, war mir bis jetzt tatsächlich nicht bewusst. -:)
Ne, die haben scon ein B- vornan. Was Du meinst, sind die Diplomaten-Kennzeichen.
Die Null steht für Botschaft, danach kommt die Zahl des Landes, ungefähr in alphabetischer Reihenfolge. Früher war die Zypern (153) das letzte, neue Staaten kommen hintendran. Auflistung:
http://de.wikipedia.org/wiki/Diplomatenkennzeichen_%28Deutschland%29
Hinten steht die Hierarchie innerhalb der Botschaft. Also 1 ist der Botschafter himself, 599 die Putzfrau. So in etwa.