Sind sie wirklich selber schuld?

Im Irak sind wieder zwei Menschen entführt worden, Deut­sche, das ist ja immer beson­ders schlimm. Dies­mal eine Mutter und ihr erwach­se­ner Sohn. Vorher waren es zwei säch­si­sche Arbei­ter, davor eine Archäo­lo­gin, Susanne Osthoff. Schon damals wurde in den deut­schen Medien darüber schwa­dro­niert, was sie denn eigent­lich im Irak zu suchen hätte, man wüsste doch, dass es dort gefähr­lich sei.

Wie groß war das Geschrei, als sie nach ihrer Entlas­sung (und wahr­schein­lich einer hohen Löse­geld­zah­lung durch die Bundes­re­gie­rung) wieder in das Land ihrer Verschlep­pung zurück­ging, wenn auch nur für kurze Zeit.
Der Tenor in den Zeitun­gen wurde schär­fer, man beschul­digte Osthoff abwech­selnd der Naivi­tät und der Mittä­ter­schaft, eine Mitschuld an der Entfüh­rung wurde kaum noch in Zwei­fel gestellt.

Wieso eigent­lich? Weil sie sich nicht wie wir meis­ten Deut­schen das Elend auf der Welt nur im Fern­se­hen anschaute, sondern dort half, etwas gegend das Elend zu tun? Susanne Osthoff enga­gierte sich in der Kinder­hilfe Irak, beriet Projekte zum Aufbau des Gesund­heits­we­sens und hielt sich auch während des Golf­krie­ges 1991 dort auf und lieferte unter ande­rem Medi­ka­mente und medi­zi­ni­sche Geräte für die Bevöl­ke­rung. Natür­lich ist es gefähr­lich, wenn man sich in einem Krisen­ge­biet enga­giert, aber was wäre, wenn es diese Leute nicht gäbe? 2006 hat die Bundes­re­gie­rung alles versucht um zu verhin­dern, dass Susanne Osthoff wieder in den Irak fahren kann. Ihre laufen­den Projekte wurden bewusst mani­pu­liert, um bloß nicht noch einmal in die Lage zu kommen, ihr even­tu­ell helfen zu müssen. Dabei soll­ten wir froh sein, dass es noch immer eine Reihe von Menschen gibt, die sich nicht damit abfin­den wollen, dass es in vielen Teilen der Welt Hunger und Unter­drü­ckung gibt und die versu­chen, etwas dage­gen zu unter­neh­men. Nicht nur vom siche­ren Deutsch­land aus, sondern auch vor Ort, da wo das Elend am Schlimms­ten ist.

Ich will nie wieder etwas davon hören, dass die Entfüh­rungs­op­fer doch selber Schuld seien, vor allem nicht, wenn es Menschen sind, die in den Ländern nicht Urlaub machen, sondern sich enga­gie­ren. Statt­des­sen soll­ten wir ihnen unse­ren Respekt bekun­den und uns bei ihnen bedan­ken, dass sie ihre Leben und ihre Frei­heit riskie­ren, um ande­ren Menschen zu helfen. Das, was wir nicht auf die Reihe krie­gen.

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