Teller Bunte Knete

Inter­net. Ich cruise durch das Web wie früher durch die Stra­ßen von Kreuz­berg, als 14-Jähri­ger mit meinem Fahr­rad, als 19-Jähri­ger nachts Plakate klebend, das war mein Stadt­teil, hier kannte ich alles und jeden. Und ich hörte eine Musik, die mir seit­dem all die Jahre im Ohr blieb. Und plötz­lich, fast 30 Jahre später, lese ich es, irgendwo auf einer Website, die eigent­lich gar nichts damit zu tun hat: “Teller Bunte Knete”.

Ich weiß nicht, was andere damit verbin­den, viel­leicht nicht mal Musik. Aber ich denke und fühle dabei wieder etwas, und es tut ziem­lich weh. Diese zärt­li­che aber radi­kale Musik, diese Texte von Frei­heit, Natur, Mensch­lich­keit — auf einmal ist es alles wieder da. Wir haben damals in Kreuz­berg Häuser besetzt und sie vertei­digt. Mit Stei­nen und mit Argu­men­ten. Weil sie uns ein klei­nes biss­chen das gaben, wofür auch “T.B.K.” stand: Selbst­be­stim­mung, ohne Regle­men­tie­rung leben, mit Kindern und Tieren und Pflan­zen und mit einem soli­da­ri­schen und gleich­be­rech­tig­tem Umgang, ein eige­nes Zuhause. So vieles, was sich aufge­schrie­ben kitschig anhört, und doch war es damals das, wofür ich leben wollte und manch­mal auch gekämpft habe. Wir waren nicht die “Chao­ten”, als die man uns hinge­stellt hat, höchs­tens in den Köpfen der Spie­ßer. Nein, ich war einer, der frei sein wollte und der sein Leben entspre­chend orga­ni­siert hat, mit vielen ande­ren zusam­men. Wir haben uns auch woan­ders umge­schaut: Das besetzte Zentrum in Frei­burg, Chris­tia­nia und Ungdom­hu­set in Kopen­ha­gen, Hippies im Wend­land. Teller Bunte Knete sind mir über­all begeg­net, es war ein herr­li­ches Gefühl, nicht allein zu sein.

Und nun? Etabliert, immer noch wenig Geld, Wohnung, Job. Wenig ist von der Kollek­ti­vi­tät geblie­ben. Naja, kleine WG, aber das ist nicht dasselbe wie mit 20, 30 Menschen in einem Haus. Oder in einer Burg wie die in Lutter/Niedersachsen. Die Zeit von T.B.K. ist so lange her, aus vielen von uns sind die Menschen gewor­den, die wir nie sein woll­ten. Ich auch? Wenigs­tens bin ich heute weder ein Rechts­extre­mist, noch Grünen-/SPD-/PDS-Poli­ti­ker, Sozi­al­ar­bei­ter oder Alko­ho­li­ker. Neugie­rig und ande­ren gegen­über offen bin ich noch immer. Aber ich bin auch gesetzt. So sehr, dass ich fast heulen muss, wenn ich diese Lieder nun höre und all die Gefühle und Gedan­ken wieder hoch­kom­men. Viel­leicht sollte ich Berlin verlas­sen, aufs Land ziehen, in ein Tipi und einen Stamm grün­den. Oder eine Kommune in nem märki­schen Dorf.

Teller Bunte Knete gab es schon nicht mehr, als ich sie das erste Mal gehört habe. Im Inter­net habe ich nur eine einzige Seite über sie gefun­den. CDs gibts auch nicht. Bei eBay habe ich eine Schall­platte von ihnen entdeckt und sie mir von meinem Bruder auf CD bren­nen lassen, mit allem Knis­tern. Ich könnte sie die ganze Nacht hören. Und dann meinen Ruck­sack packen, mich aufs Fahr­rad setzen und einfach losfah­ren.

“Wir müssen uns selbst befreien, alle Menschen müssen Menschen sein”

“Wir gehen auf langen Wegen und wer will geht der Sonne entge­gen”

“Diese Zusam­men­ar­beit, in Verbin­dung mit genü­gend Tole­ranz unter­ein­an­der und Respekt vorein­an­der, war in der Anfangs­zeit eine der großen Stär­ken der Gruppe und ließ letzt­end­lich wohl so etwas wie Magie entste­hen.” (Zitat aus der Geschichte von T.B.K.)

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Zufallstreffer

15 Kommentare

  1. Ich liebe sie immer noch. Und ich höre auch heute noch Stadt­mensch rauf und runter. Und es gibt immer noch Stel­len, die mir damals wie heute ein Trost, ein Freunde und auch ein Ansporn sind.
    Nach 25 Jahren, in denen ich nach “Sach­zwän­gen” (Fami­lie, Beruf, Kinder groß gezo­gen, Besitz hinter­her gejagt) gelebt habe, bin ich gerade dabei wieder meine Über­zeu­gun­gen zurück zuho­len. Und dazu passt heute wie damals Stadt­mensch.

    @Aro: Wenn du mal die Kommune grün­dest: Sag mir bescheid. Ich komme mit. :)

  2. ach schade!! leider wurde STADT­MENSCH
    auf youtube gesperrt, wie ich gerade sehe.
    wirk­lich scha­dee. wegen urhe­ber­rechts­an­sprü­chen von tbk. tja.
    bitte.bitte-käuflich ist die platte ja nirgends erhält­lich: also, noch­mal über­le­gen!!!

  3. Gerade fand ich, auch auf der Suche nach genau dieser Musik (meine alten tonträ­ger sind seit einem Umzug verschol­len), diese Seite hier. Lese also das alles durch, hoffend, daß am Ende doch noch eine Idee steht, wie man an die alten Songs kommen kann — und dann DAS.

    Keine Frei­gabe, wir wollen ja nicht, daß unsere Lieder (wieder) bekannt(er) werden, wir wollen nieman­den infor­mie­ren oder gar agitie­ren, wir wollen nur noch profi­tie­ren… Es ist immer wieder enttäu­schend und erschre­ckend, wie Menschen, die zu jener Zeit poli­ti­sches Bewußt­sein hatten und verbrei­te­ten, inzwi­schen nur noch an die eigene Kohle denken! Wenn ich die Lieder noch komplett im Kopf hätte, würde mir sicher das eine oder andere passende Zitat dazu einfal­len.

  4. Teller Bunte Knete — Habe ich noch live gehört und für ein Schü­lerz­tei­tungs­fest anga­giert. War erfreud die Lieder und auch neuere zu hören. Eine Kassete von der Habe ich noch im Regal stehen. Es war schon eine heise Zeit.

  5. Gerade hat mir ein guter Freund das Wdr-Zeit­zei­chen über den Tunix-kongress auf CD gepresst und dazu die Stadt­mensch-LP. Habe mich im Novem­ber 1979 in Essen bei einem TBK-Konzert total verliebt. War dann Ende Dezem­ber und im Januar 80 in Berlin bei den Ufa-Leuten und bei der Beer­di­gung von Rudi Dutschke. Habe heute geweint als ich die schö­nen Lieder gehört habe. Das war eine leben­dige und schöne Zeit… Bin unse­rem Lebens­ge­fühl treu geblie­ben. Herz­li­che Grüße an die TBK-Gemeinde! Thomas

  6. Habe Sams­tag “Stadt­mensch” bei “Heisse Schei­ben” in der Ohlauer Str. gefun­den…
    Für alle die in Berlin X‑Berg noch unter­wegs sind…
    Stippi

  7. Habe vor drei Tagen einen Plat­ten­spie­ler geschenkt bekom­men, sitze hier und höre “TBK macht Musik”. Mit “Meine kleine Welt” habe ich einst meinem dann ersten festen Freund meine Liebes­er­klä­rung über­mit­telt :-)
    Aktu­ell ist eher “Komm raus” passend zum Lebens­ge­fühl. Ja, irgend­wie ist man älter und gesetz­ter, aber immer noch in keiner Schub­lade ange­kom­men!

  8. Hallo alter Traum­ver­käu­fer,
    das kann ich noch singen, wenn ich alles andere verges­sen habe. Jetzt kurz vor meinem 65 sten Geburts­tag habe ich beim Lesen dieser Beiträge die eine andere Träne verdrü­cken müssen. Ich hatte beide Schall­plat­ten und wir haben das alles auch gerne am Lager­feuer immer wieder gespielt und gesun­gen. Leider ist eine der Schall­plat­ten während meinen WG-Zeiten in andere Hände gera­ten, ich wäre natür­lich auch sehr inter­es­siert an mp3 — Versio­nen. Der weiter in einem der obigen Beiträge genannte russi­sche Link ist entwe­der gehackt oder tut einfach nicht mehr. tolle, Zeit, tolle Musik, Wolfi

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