Vorsicht, Terrorist!

Mitt­ler­weile habe ich den Eindruck, als wären wir alles Terro­ris­ten. Zumin­dest poten­zi­elle. Aber doch eigent­lich schon welche. Da ich wöchent­lich mindes­tens einmal einen Fahr­gast­auf­trag zum Bundes­in­nen­mi­nis­te­rium habe, sollte ich viel­leicht bei nächs­ten Mal gleich eine Geruchs­probe mitneh­men und dort abge­ben, dann brau­chen die Herren mit den Schlapp­hü­ten nicht extra zu mir nach Hause kommen, wenn sie mal an mir riechen wollen.

Und dass sie kommen, damit muss ich rech­nen, schließ­lich war ich in den 90er Jahren auch mal im Kreuz­ber­ger Mehring­hof und den G8-Gipfel finde ich auch nicht so toll. Wahr­schein­lich reicht das, um mich präven­tiv in Schutz­haft zu nehmen. Zumal ich ja auch bewaff­net bin: Im Taxi habe ich immer eine Dose Pfef­fer­spray bei mir und in der Öffent­lich­keit betreibe ich offen­sicht­lich staats­feind­li­che Propa­ganda (siehe diesen Text). Wobei “staats­feind­lich” der falsche Begriff ist, denn auch ich bin schließ­lich ein Teil des Staa­tes (der ja aus Staats­ge­biet, Volk und Regie­rung besteht). Besser wäre “kritisch”, aber wenn Staats­rä­son gefragt ist, dann ist der Weg von Kriti­ker zum Terro­ris­ten nicht weit — jeden­falls in den Augen der Staats­füh­rer oder derje­ni­gen, die für die “Sicher­heit und Ordnung” zustän­dig sind. Vorbei die Zeiten, als der Kaiser noch rief und die Staats­bür­ger zu Tausen­den mit wehen­den Fahnen kamen. 1914 ging es noch gegen Enge­land und den Fran­zo­sen, heute heißt der Feind “Terro­rist”. Und wer nicht dafür ist, diesen Feind mit allen Mitteln zu bekämp­fen, der macht sich schon verdäch­tig. So wie vor 30 Jahren, die Älte­ren unter uns können sich noch an die blei­erne Zeit erin­nern, als es schon verdäch­tig war, jung und dünn und lang­haa­rig zu sein.

Doch dies­mal verläuft der Riss nicht klar zwischen den Protes­tie­ren­den und der Regie­rung. Heute ist nicht mehr 1977, der kalte Krieg nach innen will nicht so recht in Gang kommen, so sehr sich  Bundes­an­walt­schaft und Innen­mi­nis­te­rium auch bemü­hen. Keine Bürger­mas­sen fordern die Hinrich­tung von Demons­tran­ten, selbst die bürger­li­chen Medien setzen sich mit den Hinter­grün­den des G8-Tref­fens ausein­an­der und kriti­sie­ren den Hoch­si­cher­heits­wahn der Poli­zei. Klare Fron­ten gibt es kaum, wenn selbst der Ex-CDU-Gene­ral­se­kre­tär Heiner Geiß­ler sich den Gipfel­geg­nern anschließt und Mitglied bei Attac wird. Da gibt sich sein Partei­nach­wuchs schon klas­sen­be­wuss­ter, wie der Junge-Union-Vorsit­zende Phil­ipp Mißfel­der, der die G8-Kriti­ker mit der RAF verglich. Und der in seiner eige­nen Logik Kritik als “Angriff auf die Meinungs­frei­heit” bezeich­net. Dabei sind es doch eher die staat­li­chen “Sicher­heits­or­gane”, die derzeit Meinungs­äu­ße­run­gen unter­drü­cken wollen, teil­weise mit juris­tisch und mora­lisch frag­wür­di­gen Mitteln wie Demons­tra­ti­ons­ver­bo­ten, 12 Kilo­me­ter Hoch­si­cher­heits­zaun, einschüch­ter­nen Razzien und Geruchs­pro­ben-Schnüf­fe­leien. Dass das auf Dauer nichts nützt, musste schon die Stasi erfah­ren, die mit all dem weder eine Oppo­si­tion verhin­dern konnte, noch den Zusam­men­bruch des Staa­tes.

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