Zu Max Josef Metzger

Zu Max Josef Metz­ger führt kein irdi­scher Weg mehr. Seine Über­reste ruhen in Meit­in­gen hei Augs­burg. Die Reise dort­hin hatte Schwie­rig­kei­ten gemacht.
Instän­dige Bitten, heißt es, des Bischofs von Berlin, des berühm­ten Kardi­nals Beng­sch, bei den DDR-Behör­den, waren erfor­der­lich gewe­sen, damit man sie hat reisen lassen vom St.-Hedwigs-Friedhof in Berlin. Den Weg zum Gottes­acker von St. Hedwig hatten sie 1946 gefun­den, unter großer Betei­li­gung der Menschen, die nun anfin­gen zu wissen, zu welchem Leben diese Über­reste gehört hatten.
Der Staat hatte Max Josef Metz­ger kein bekann­tes Grab geben wollen, nach­dem er ihn am 17. April 1944, nach­mit­tags 15.26, in einem justiz­för­mi­gen Arran­ge­ment in Bran­den­burg-Görden durch den Scharf­rich­ter und seine hohen juris­ti­schen Vor-Rich­ter ermor­det hatte. Schwes­tern der Christ-Königs-Gesell­schaft brach­ten es aber fertig, die vom Staat nicht frei­ge­ge­bene Leiche aus dem Gefäng­nis zu holen und in aller Stille — wie man so sagt — auf dem dorti­gen Fried­hof in Gottes Erde zu betten.
Im Zucht­haus Bran­den­burg hatte Metz­ger seit dem Todes­ur­teil durch den Volks­ge­richts­hof ein halbes Jahr zuge­bracht. Am 17. April 1944 kamen 30 Nazi-Gegner unters Fall­beil. Metz­ger als letz­ter; er hat sogar den Scharf­rich­ter beein­druckt, erzählt man, “noch nie”, soll der gesagt haben, “habe ich einen Menschen mit so frohen, leuch­ten­den Augen in den Tod gehen sehen.”
Froh, leuch­tend, Tod: “Nichts könnte meinem Leben einen sinn­vol­le­ren Abschluss geben, als wenn ich für den Frie­den Christi im Reich Christi mein Leben hinge­ben dürfte”.

Metz­ger war bei seinem Tode 57 Jahre alt, ein Pazi­fist, Frie­dens­bund Deut­scher Katho­li­ken, Welt­frie­dens-Orga­ni­sa­tion (seit Mitte der 20er Jahre Christ-Königs-Gesell­schaft), Seit WK I ein uner­müd­li­cher Frie­dens­kämp­fer, 1939 aus Nazi­haft an Papst Pius XII: “Ich leide darun­ter, dass die Völker an den Fron­ten wider einan­der stehen und gegen­sei­tig auf ihr Verder­ben sinnen”.
Die Kirche, in der Metz­ger in den 40er Jahren gear­bei­tet und neben der er gelebt hat, die Joseph-Kirche in Wedding, schaut mit ihrer Vorder­front auf einen Stra­ßen­platz, der von vielen, die schnell über die Müllerstraße eilen, gar nicht als Platz wahr­ge­nom­men wird; er hieß 122 Jahre lang nach einem preu­ßi­schen Gene­ral, seit 1995 heißt er nach Metz­ger.
Die bürger­li­che Adresse von Max Josef Metz­ger hatte gelau­tet: Will­de­now­straße 8 A, jetzt noch die Adresse des Katho­li­schen Pfarr­am­tes, des Pfar­rers, der Kirche. Der Namens­ge­ber der Straße, Karl Ludwig Will­de­now, war ein Apothe­ker, Bota­ni­ker, Direk­tor des alten Bota­ni­schen Gartens in Schö­ne­berg, er hat von 1765 bis 1812 gelebt, mit Wedding hatte er gar nichts zu tun.
Als 1993 das Bezirks­amt die Straße nach Metz­ger benen­nen wollte, waren Anwoh­ner dage­gen. Die Gedenk­ta­fel für Metz­ger an der Will­de­now­straße ist 1981 gestoh­len worden, musste erneu­ert werden, jetzt sind zwei Tafeln da, drau­ßen an der Straße, drin­nen im Hof.

Der Weddin­ger Baustadt­rat Bernd Schimm­ler ist Staats­an­walt gewe­sen. Er hat sich als solcher mit der Nazi­jus­tiz beschäf­tigt, hat über Metz­ger geschrie­ben und weiß, wer er war. Auch ihm ist es bisher nicht gelun­gen, den statt der deut­li­chen Straße nach Metz­ger benann­ten undeut­li­chen Platz auch mit einem deut­li­chen Stra­ßen­schild als seinen Platz zu kenn­zeich­nen.
Als ich Amts­rich­ter in Wedding war, in den 60er Jahren, hörte ich von Metz­ger, Kardi­nal Beng­sch sprach von ihm, als ich im Land­ge­richt arbei­tete, fand der Prozess statt gegen einen von Metz­gers Mördern.
Der Mann war Kammer­ge­richts­rat wie ich. Er hieß Rehse; er recht­fer­tigte sein Todes­ur­teil gegen Metz­ger auch, nach­dem er Zeit zur Einsicht gehabt hatte: “Dr. Metz­ger war für das Reich sehr gefähr­lich … Es musste verhin­dert werden, dass das feind­li­che Ausland bereits 1943 erfuhr, wie führende deut­sche Katho­li­ken dach­ten”.
Als Rich­ter Rehse von Rich­tern, die meine Kolle­gen waren, frei­ge­spro­chen wurde, schrieb ich — da war ich ein junger Mann und neigte zu wort­rei­chen Sinn­lo­sig­kei­ten — im Tages­spie­gel: Ich schäme mich, wie Sie ein deut­scher Rich­ter zu sein. Der Präsi­dent sagte zu mir: Es wird ein Diszi­pli­nar-Verfah­ren gegen Sie bean­tragt: Warum reden Sie auch so unbe­dacht? Dienst­lich sind Sie ein ganz freund­li­cher Mensch, aber sowie Sie zur Feder grei­fen…
Als ich neulich um den Platz ging, das Anti­kriegs­mu­seum besuchte und auf dem Urnen-Fried­hof nach den Resten des Verfas­sungs-Schöp­fers Preuß suchte, hatte ich Max Josef Metz­ger ganz verges­sen. Es kommt mir vor, als hätte ich ein Stück meines eige­nen Lebens verges­sen.

In den Tage­bü­chern von Kardi­nal Beng­sch steht, aus einer Zeit, in der er noch längst kein Kardi­nal war, sondern ein junger Mann, Student, Soldat in der Armee Hitlers, wenige Wochen vor Metz­gers Tod: “Wenn die Heere der Toten spre­chen könn­ten … würden sie sagen: Weint nicht über uns, sondern über euch” und später: “Alles Weinen an Gräbern wird immer auch ein Weinen über eigene Schuld sein.”
Ich kann höchs­tens sagen: Pazi­fist bin ich auch. Dass ich für diese Über­zeu­gung noch keine nennens­wer­ten Opfer habe brin­gen müssen, verdanke ich viel­leicht jenen, die diese Opfer gebracht haben.
Aber: gibt es immer noch Krieg auf der Welt?

Aus: Spazier­gänge in Berlin (1990er Jahre)

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