“Taxifahrer ist mein Traumberuf!”

Viele der inter­es­san­tes­ten Gesprä­che im Taxi hat man mitten in der Nacht. Manch­mal auch mit Leuten, bei denen man das nicht erwar­tet.
Der etwa 18-jährige Junge war Typ “Gang­ban­ger” — lässige Sprech­weise, gebro­che­nes Deutsch, noch etwas picke­lig. Er winkte mich am Kott­bus­ser Tor, wollte nach Neukölln und war sehr gesprä­chig. Ich erfuhr, dass seine Kumpels alles Luschen sind, weil sie morgens um 2 Uhr schon ins Bett wollen. Er selber hält locker bis um 6 durch. Von seiner abge­bro­che­nen Lehre erzählte er, die ihm keinen Spaß gemacht hat und am Hermann­platz kannte ich schon sein halbes Leben.

Die Fahrt ging aber noch weiter und jetzt wollte er eini­ges von mir erfah­ren. Vor allem an Autos und Taxi­fah­ren war er inter­es­siert. Er sagte: “Taxi­fah­rer ist mein Traum­be­ruf!” Und das meinte er ernst. Er zählte mir eini­ges auf, was auch ich an meinem Job so mag. Zum Beispiel, dass man mit manchen Fahr­gäs­ten gute Gesprä­che führen kann. Dass man die ganze Stadt kennen lernt und auch mal aufre­gende Situa­tio­nen erlebt. Dass man sich manch­mal vor Lachen wegschmei­ßen könnte über das, was so über den Funk zu hören ist. Und dass er so gerne Auto fährt und das im Taxi natür­lich ausgie­big tun könnte.
Seine Begeis­te­rung zog mich rich­tig mit. Klar, er hat recht: Es gibt zwar viele nega­tive Dinge, die einem das Taxi­fah­ren verlei­den, wie die schlechte Bezah­lung, manch unan­ge­nehme Fahr­gäste, die vielen Baustel­len, was ich ihm auch alles sagte. Aber trotz­dem wird all das vom Posi­ti­ven über­strahlt, zumin­dest, wenn man eine opti­mis­ti­sche Grund­ein­stel­lung hat.
Gerade die Gesprä­che mit Fahr­gäs­ten können schön, inter­es­sant, anre­gend, manch­mal auch erre­gend sein. Ab und zu kommt es auch vor, dass man am Ende der Fahrt noch ein paar Minu­ten weiter redet oder auch, dass man sich später noch per E‑Mail austauscht.
Oder die Fahr­ten durch die Stadt: Manch­mal komme ich nach Mona­ten mal wieder in eine Gegend und fühle mich vertraut, freue mich, wenn ich etwas Bekann­tes wieder­sehe. Es ist dann wie der Besuch bei einem alten Freund, wenn ich mal durch Fried­richs­ha­gen oder Lübars fahre. Ansons­ten hat man so seine Stre­cken, die man fast täglich sieht, da fallen einem sogar Verän­de­run­gen an Gebäu­den auf oder wenn es ein neues Restau­rant oder eine neue Bar gibt. Es gibt sogar Stra­ßen in Berlin, in denen fühle ich mich schon fast zuhause, obwohl ich dort nie gewohnt habe. Der Savi­gny­platz ist solch ein Ort, die Turm­straße oder der Wismar­platz. Wenn ich mal ohne Taxi dort vorbei­komme, habe ich das Gefühl, das etwas fehlt.
Gerade in der Nacht hat das Taxi­fah­ren einen beson­de­ren Reiz. Die Stra­ßen mit ihrer spezi­el­len Atmo­sphäre, die Lich­ter­ket­ten der Later­nen, die Spie­ge­lun­gen auf nassem Asphalt, in klaren Näch­ten die Sterne, wenn man in einer dunk­len Gegend unter­wegs ist. Und auch die Fahr­gäste sind nachts anders: Relaxt, müde, meist freund­li­cher, oft gesprä­chig. Im Dunkeln kommt auch eher die Nach­denk­lich­keit und die Melan­cho­lie. Wenn sie im Taxi sitzen, auf dem Weg sind, nichts zu tun, keine Verpflich­tung. Manch einer öffnet sich in dieser Situa­tion, wird senti­men­tal, ehrli­cher. Daraus wächst ein klenes, kurzes Vertrau­ens­ver­hält­nis, nur für ein paar Minu­ten. Aber die können sehr inten­siv sein und tiefer als sonst. Schon ein paar­mal habe ich hier im Auto gehört: “So ein gutes Gespräch hatte ich schon lange nicht mehr!” Das freut uns dann beide. Man hat seinen Job getan und den Fahr­gast nach Hause gefah­ren — und man hat sich als Mensch gezeigt. Aus diesem Grund ist Taxi­fah­rer ein toller Beruf.

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