Keine schöne neue Welt

Zurzeit lese ich einen Roman, der schon viele Jahre alt ist und in dem alle Menschen in der “Schö­nen neuen Welt” leben. Es ist eine extreme Weiter­ent­wick­lung der jetzi­gen Verhält­nisse, teil­weise aber doch gar nicht so weit entfernt. Alle Bürger sind darauf bedacht, gut auszu­se­hen, sich anzu­pas­sen, bloß nicht aufzu­fal­len. Wenn etwas kaputt geht, muss es ersetzt werden, nichts wird repa­riert. Konsum ist dort gesetz­lich gere­gelte Pflicht. Bücher oder anspruchs­volle Fern­seh­sen­dun­gen gibt es nicht, alles ist darauf ausge­rich­tet, die Menschen zu “unter­hal­ten”, ruhig zu stel­len, zu verdum­men.

Der Roman von Aldous Huxley spielt hier in Berlin, die Zeit­rech­nung rich­tet sich nach Ford, der so verehrt wird, wie heute Jesus oder Allah. Denn Fort­schritt ist die Reli­gion, nach der alle leben. Dazu gehört auch der Konsum einer Droge, die den Menschen die schlechte Laune oder den Ärger nimmt, Soma ist über­all als Tablette zu kaufen, selbst in manchen Lebens­mit­teln ist es enthal­ten. Gefühle, vor allem nega­tive, werden ausge­schal­tet. Aber auch die Zunei­gung zu einem ande­ren Menschen ist nicht erwünscht, weil aus Zwei­er­be­zie­hun­gen wieder Frust entste­hen könnte. In der Schö­nen neuen Welt ist das verpönt.

Stän­dig stoße ich beim Lesen auf Paral­le­len zu heute, obwohl das Buch doch schon 1932 erschie­nen ist. Vor allem die Gleich­schal­tung in den Medien und der Gesell­schaft ist unüber­seh­bar. Zwar gibt es ein paar Grup­pen von Menschen, die sich vonein­an­der unter­schei­den, aber alles ist in einem engen Rahmen, staats­treu und abso­lut unkri­tisch. Was die Welt­re­gie­rung anord­net, wird ohne Fragen akzep­tiert, die Bürger kommen gar nicht auf die Idee, eine gegen­sätz­li­che Meinung zu haben.

Auch heute geht die Entwick­lung in den Medien immer weiter weg von Infor­ma­tion zu Unter­hal­tung. Die Menschen sollen nicht denken, sondern konsu­mie­ren. Wer durch das heutige Fern­seh­pro­gramm zappt stößt nur noch selten auf Sendun­gen, die einen wirk­li­chen Infor­ma­ti­ons­ge­halt haben. Oder die gar kritisch sind. Nicht anders sieht es am Kiosk aus: Zwischen den Hunder­ten von bunten Blät­tern fallen inhalt­li­che Maga­zine kaum noch auf.

Wie in dem Roman legen auch heute vor allem viele Jugend­li­che derma­ßen großen Wert auf ihr Äuße­res, dass man kaum noch den Menschen hinter der Fassade erken­nen kann. Die glei­che Mode wie die ande­ren, schick, neu, einheit­lich, ohne dass noch etwas an den einzel­nen erin­nert. Auf der Straße werden Leute ange­pö­belt, weil sie anders herum­lau­fen, am schlimms­ten trifft es dieje­ni­gen, die außer­halb jeder Norm stehen: Die Stadt­strei­cher, soge­nannte Penner, die sich nur noch durch den Tag quälen und sicher nicht das Problem haben, welche Jacke am besten zu ihrer Hose passt. Sie werden ange­fein­det, oft auch ange­grif­fen, Eltern ziehen ihre Kinder von ihnen weg.

Aber ich will nicht danach urtei­len, was ein Mensch für Klei­dung trägt oder was er für eine Frisur hat. Es ist doch total unwich­tig, ob jemand einen alten Pull­over trägt oder ein schi­ckes Jackett; ob er aus dem Mund stinkt oder nach Parfüm duftet; ob er gestytle Haare hat oder ob es auf seinem Kopf aussieht wie ein Feld voller Unkraut. Wich­tig ist doch nur, dass man mensch­lich ist, tole­rant, offen und freund­lich zu seinen Mitmen­schen. “Man sieht nur mit dem Herzen gut” heißt es im “Klei­nen Prin­zen”, also sollte man auch versu­chen, mit dem Herzen zu sehen, nicht nur mit den Augen.

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