Bemerkenswerte Bäume in Berlin und Potsdam

Für viele Bewoh­ner und Besu­cher Berlins sind die Bäume nur Beiwerk, damit die Stra­ßen und Plätze etwas erträg­li­cher sind. Sie sehen sie als Schmuck, ähnlich wie Christ­baum­ku­geln. Der Name “Stra­ßen­baum” zeugt schon von einer gewis­sen Gering­schät­zung dieser großen Pflan­zen, das hat einen verächt­li­chen Klang wie “Stra­ßen­kö­ter”. Dabei sind die Bäume aus unse­rer grünen Stadt ein wich­ti­ger Bestand­teil unse­res Lebens. Noch immer erschüt­tern mich die Fotos vom abge­holz­ten Tier­gar­ten aus dem eisi­gen Nach­kriegs­win­ter, als die Bäume für die Bewoh­ner Berlins zum Lebens­ret­ter wurden. Und doch wurden so manche von ihnen nicht ange­tas­tet, weil man viel­leicht Respekt vor ihnen hatte. Respekt vor ihrem Alter, ihrer Schön­heit und ihrer Geschichte.
Der Hambur­ger Harald Vieth hat ein noch viel weiter­ge­hen­des Verhält­nis zu Bäumen, er spricht von “Baum­per­sön­lich­kei­ten”. Als solche betrach­tet er sie mit Hoch­ach­tung und macht sich auf die Suche nach ihrer indi­vi­du­el­len Geschichte.
Und es ist erstaun­lich, was er dabei alles heraus­be­kommt und uns in seinem Buch “Bemer­kens­werte Bäume in Berlin und Pots­dam” mitgibt. Nur selten fallen uns mal unge­wöhn­li­che Bäume auf, meist weil sie beson­ders groß oder alt sind, wegen ihrer Form — oder einfach wegen ihrer Gesamt­schön­heit. Dabei gehen wir oft blind durch die Stadt, bemer­ken selbst nach 20 Jahren tägli­chem Weg durch den Tier­gar­ten z.B. nicht die die herr­li­chen Riesen­ei­chen ganz nahe der Belle­vue­al­lee, der Fußgänger-“Hauptverkehrsstraße” durch den Park.

Berlin ist die grünste Millio­nen­stadt Euro­pas, 20 Prozent der Stadt bestehen aus Grün­flä­chen, Parks und Wäldern. Darin sind allein 450 Bäume als Natur­denk­male ausge­wie­sen, 25 Bäume haben sogar eigene Namen! Harald Vieth stellt sie in seinem Buch persön­lich vor.

Der Autor hat sein Werk in etwa 30 Rund­gänge aufge­teilt, so dass man sich — nach Bezir­ken getrennt — damit auf Erkun­dungs­reise machen kann. Für die meis­ten Rund­gänge empfiehlt sich aber, gut zu Fuß zu sein oder ein Fahr­rad zu benut­zen. Doch es lohnt sich, denn Vieth beschreibt nicht nur die Bäume und ihre Art, sondern auch die Geschichte der Orte, an denen sie stehen — und oft die Zeit und die Umstände, in denen sie gepflanzt wurden.

So kommt natür­lich der Maul­beer­baum vor, von dem Fried­rich II. zigtau­send Exem­plare pflan­zen ließ, um damit die Zucht von Seiden­rau­ben anzu­kur­beln — aller­dings vergeb­lich. Auch die Pappel von Karl­platz an der Charité wird gewür­digt, so wie in dem Gedicht von Bertolt Brecht (in Text heißt es fälsch­li­cher­weise “Karls­platz”), in der er ihr Über­le­ben im Eiswin­ter 1946 verewigt.

Oder die “Kaiser­pla­tane” in der Pots­da­mer Straße in Tier­gar­ten, die schon einige Male abge­holzt werden sollte, weil sie dem Verkehr im Wege stand — und die sich immer noch behaup­tet, heute inmit­ten des Kultur­fo­rums zwischen Sony-Center, Staats­bi­blio­thek und Neuer Natio­nal­ga­le­rie.
Berühmt war auch die “Einsame Pappel”, nach der sogar der Platz benannt wurde, auf dem sie stand. Hier, nur 100 m vom U‑Bhf. Ebers­wal­der Straße entfernt, fand 1948 die erste große Massen­ver­samm­lung statt, etwa 18.000 Menschen traten ein gegen die staat­li­che Will­kür. Leider musste diese Pappel 1967 abge­holzt werden, sie wurde aber sofort durch eine neue ersetzt.

Natür­lich kommen wir auch nach Span­dau, hier findet man beson­dern viele schöne Exem­plare und Natur­denk­male, wie die 500 Jahre als Winter­linde im Hof der Zita­delle oder den Kasta­ni­en­ko­loss auf einer der Bastio­nen, der eigent­lich vier Stämme hat und voll belaubt mit einem 35 Meter brei­ten Kronen­dach einen herr­li­chen Anblick bietet. Nicht zu verges­sen die Kladower Dorf­linde aus dem Mittel­al­ter.

Ebenso grün ist Zehlen­dorf mit seinen Uralt-Maul­beer­bäu­men, der Frie­dens­ei­che, den Silber­pap­peln. An der Grenze zu Pots­dam finden wir die sagen­um­wo­bene Kohl­has-Eiche, die Huber­tus-Eiche, die mäch­ti­gen Rehwie­sen-Eichen — und zu allen gibt es noch Geschich­ten und Merk­wür­dig­kei­ten. Zum Beispiel die skurile Winter­linde auf der Pfau­en­in­sel: Der 300 Jahre alte Baum ist innen hohl, aber in ihm wächst seit 1988 eine neue Linde heran, die den Mutter­baum mitt­ler­weile nach oben verlas­sen hat.

Natür­lich besu­chen wir auch die Jahn-Eiche in der Neuköll­ner Hasen­heide, die vier­rei­hig mit Plata­nen bewach­sene Pusch­kin­al­lee, die auch mal “Kasta­ni­en­al­lee” hieß und landen damit in Trep­tow und Köpe­nick, wo uns wieder herr­li­che Baum­in­di­vi­duen erwar­ten. Als Baum­fund­grube bezeich­net Vieth das Gelände des Grie­sin­ger-Kran­ken­hau­ses in Hellers­dorf — zu Recht, denn allein auf diesem Gelände befin­den sich acht Bäume, die zu Natur­denk­ma­len erklärt wurden.

Nicht zu verges­sen ist Reini­cken­dorf, vor allem Tegel, wo der älteste Baum Berlins steht: Die “Dicke Marie” am Tege­ler See ist ca. 900 Jahre alt und treibt im oberen Drit­tel noch immer Blät­ter aus. Manche Exem­plare, wie die “Humboldt-Eiche” im Schloss­park sind leider heute nicht mehr zu besich­ti­gen, da das Außen­mi­nis­te­rium Spazier­gän­gern den Einlass auf sein Gelände verwehrt.

Ein Teil des Buches beschäf­tigt sich auch mit den Bäumen in Pots­dam, dabei nicht nur in den Parks. Gerade für Berli­ner ist dieser Abschnitt auch deshalb inter­es­sant, weil viele ihre Nach­bar­stadt nicht wirk­lich kennen. Mit diesem Buch einen Besuch zu machen wäre doch eine gute Gele­gen­heit, den eige­nen Hori­zont ein biss­chen zu erwei­tern.

Das Buch ist bisher das einzige seiner Art und hervor­ra­gend gelun­gen. Die 150 Farb­fo­tos reizen einen zum Besuch der Bäume und selbst “rich­tige Städ­ter”, die sonst kaum ein Verhält­nis zur Natur haben, werden dadurch animiert, sich auf die unge­ahnte Schön­heit einzu­las­sen, die uns die vielen Bäume unse­rer Stadt bieten.

Harald Vieth:
Bemer­kens­werte Bäume in Berlin und Pots­dam

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Die Geschichte ist unten, oben ist alles Gegen­wart. Der U‑Bahnhof Rosa-Luxe­m­­burg-Platz ist mit Colla­gen geschmückt, deren Aufklä­rungs­wert größer wäre, wenn sie nicht versuch­ten, Kunst zu sein. Der Obdach­lose betrach­tet den aufklä­re­ri­schen Wand­schmuck nicht, er sucht […]

2 Kommentare

  1. Liebe Baum­freunde,
    es gibt da ein Baum-Buch
    “Berli­ner Denk­male der Natur”
    Wird dieses Werk noch verlegt und wenn ja, wo ist es zu bezie­hen. Könnt Ihr da weiter­hel­fen?
    PS: die alte Flat­ter­ulme in Dahlem, trotz Sturm­bruchs vor Jahren, eine impo­sante Erschei­nung.
    Glei­ches gilt für den höchs­ten Baum Berlins, eine mehr als 43 Meter hohe Lärche — steht im Tege­ler Forst. Oder die mäch­ti­gen Eichen längs des Tege­ler Flie­ßes. In der Jung­fern­heide beein­dru­cken die mäch­ti­gen Kiefern, von denen einige beein­dru­ckende Stamm­um­fänge entwi­ckelt haben.
    Auch die Schwarz­pap­peln am Tege­ler See, die Süntel- und Hänge­bu­chen im Bereich Rehwiese sowie Rot- und Silber­bu­chen erzeu­gen Ehrfurcht und Achtung vor der Schöp­fung.

  2. Einfach mal bei Amazon.de schauen:
    “Berli­ner Denk­male der Natur von Hainer Weiss­pflug und Hans J Mende von Luisen­städ­ti­scher Bildungs­ver. (Taschen­buch — 1997)
    Derzeit nicht verfüg­bar.”

    Also Anti­qua­riate abklap­pern.

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