Der Mann ist sehr schmutzig, als er schüchtern und ohne etwas zu sagen neben meinem Taxi stehen bleibt. Hier an der Nachrücke, unter den Gleisen des Hauptbahnhofs und über der Tunneleinfahrt, stehen in der Nacht rund 50 Taxis. Er hat nirgends gefragt, und so wie ich meine Kollegen einschätze, hätte es auch nicht viel Sinn gehabt. “Penner” bekommen hier nichts. Warum er neben mir stehen bleibt, weiß ich nicht. Vielleicht habe ich nicht so verächtlich geschaut wie manch anderer. Ich lasse das Fenster runter und Frage: “Hunger?”. Er nickt, sagt weiterhin nichts. Ich steige aus und hole mein Pausenbrot aus dem Kofferraum. “Käse und Salat, ok?”. Wieder nickt er, steckt die Stulle ein und das 2‑Euro-Stück, das ich ihm in die Hand lege.
“Tanke.”
Neben der Taxihalte geht es ein, zwei Meter runter, dann ist dort eine dreckige Sandfläche. Ein riesiges Hundeklo, neben dem sich der Tiergartentunnel in die Erde schiebt.
Genau an dieser Stelle, nicht mehr als fünf Meter neben den fahrenden Autos, in der Dunkelheit unter den Bahngleisen, liegt seine Matratze. Ein alter Einkaufswagen steht daneben, Kartons, vermutlich sein ganzer Besitz. Minutenlang hantiert der Mann dort, legt Decken auf die Matratze, räumt sie wieder ab. Es sind jetzt minus 4 Grad, natürlich sollte er lieber in eine Obdachlosenunterkunft bei dieser Kälte. Aber die rund 800 Plätze reichen nicht für geschätzte 8–10.000 Menschen, die in Berlin auf der Straße leben.
Schließlich legt er sich hin, deckt sich mit zwei Mänteln zu. Neben meinem Wagen stehen drei Kollegen, rauchen und quatschen. Ich verstehe nur “Scheiß Geschäft”. Dabei bräuchten sie nur mal ein paar Meter weiter zu kucken, um zu sehen, wie dreckig es einem wirklich gehen kann.
(Dieser Text erschien ursprünglich im Taxi-Weblog von Berlin Street)
*schluck*
Dieser Beitrag sollte in allen Berliner Tageszeitungen veröffentlicht werden.
…und es hat sich nichts geändert