Abi-Ball

Jetzt war wieder die Zeit der Abi-Bälle. In Hotels, in Konzert­sä­len oder auch in Läden wie der Moabi­ter Univer­sal Hall, wo sonst Boxkämpfe statt­fin­den. Dort stand ich, um eine sehr aufge­ta­kelte, sehr betrun­kene Lady nach Hause ins West­end zu fahren. Sie trug ein gold­far­be­nes Satin­kleid, das nicht weit unter­halb des Bauch­na­bels endete und selbst wenn sie noch in der Lage gewe­sen wäre, hätte sie damit nachts lieber nicht auf der Straße rumlau­fen sollen. Tat sie auch nicht, sondern sie setzte sich zu mir ins Taxi, flüs­terte mir lallend ihren Stra­ßen­na­men ins Ohr und machte es sich dann auf dem komplet­ten Rück­sitz bequem. Am Ziel ange­kom­men stieg sie aus und wankte zur Haus­tür.
Ich ging ihr hinter­her und sagte, dass sie wohl noch was verges­sen hätte. “Scheiß Typen, man. Ich hab kein Geld, ey.” Das war mir egal, ihre Fahrt hatte sie zu bezah­len, trotz ihres Schmoll­munds und treu­doo­fen Dackel­blicks.
Da ich sie nicht ins Haus ließ, ohne dass sie bezahlte, war sie ratlos, klin­gelte dann aber Sturm. Nach ein, zwei Minu­ten die genervte Stimme von oben, was denn los sei. “Mama, bring mal Geld runter, für Taxi!” Mama tat’s, Taxi­fah­rer war zufrie­den, und Toch­ter kotzte während des Bezah­lens ins Gebüsch. Wenigs­tens hat sie solange gewar­tet.

Abi-Bälle sind komisch, jeden­falls ihre Besu­cher. Sie sind alle um die 18, 19 Jahre alt, brezeln sich jedoch auf, als hätte sie schon die doppelte Zeit hinter sich. Schmale Jungs in Anzü­gen, die nicht wirk­lich passen. Mädels in Abend­klei­dern, in diesem Jahr mit auffal­lend vielen Turm­fri­su­ren. Sie spie­len eine Erwach­se­nen­ge­sell­schaft, wie man es sonst eher von Sechs­jäh­ri­gen kennt. Ich finde es unnö­tig, affig und pein­lich. Viel­leicht ist es für mich auch nur so befremd­lich, weil die Klamot­ten in so einem Kontrast zu den jungen Gesich­tern stehen. Es unter­streicht das Geküns­telte, das offen­sicht­li­che Noch-nicht-erwach­sen-sein.
Am Liebs­ten würde ich ihnen sagen, dass sie sich ihre Jugend­lich­keit noch bewah­ren sollen, die verschwin­det irgend­wann von ganz allein. Und dann begin­nen sie plötz­lich sich wieder jünger zu stylen. Aber viel­leicht wollen sie ja gar keine Jugend­li­chen mehr sein.

print

Zufallstreffer

Berlin

Der Skandal um Andrej Holm

Andrej Holm ist als Staats­se­kre­tär für Wohnen im neuen Senat zurück­ge­tre­ten. Doch es ist kein frei­wil­li­ger Rück­zug, sondern er ist damit der ange­kün­dig­ten Entlas­sung durch den Regie­ren­den Bürger­meis­ter Michael Müller zuvor­ge­kom­men. Müller hatte ihn bereits […]

Erinnerungen

Feuerland 1987

Vor dem Orani­en­bur­ger Tor stan­den einst die Stahl- und Loko­mo­tiv­werke von Borsig, Wöhlert, Schwartz­kopff. An sie erin­nern heute dort nur noch einige Stra­ßen­na­men. Die Gegend wurde wegen dem Feuer­schein aus den Hoch­öfen und dem Krach […]

2 Kommentare

  1. Das Schlimme ist ja, daß sie das selbst viel­leicht gar nicht so rich­tig wollen. Nur “Die Gesell­schaft” sugge­riert ihnen, daß gerade dieses “in” ist. Wenn sie dann irgend­wann Studen­ten sind, wird´s noch kras­ser. Dann bekämpft man mit Vehe­menz Lebens­mo­delle, die man bereits 10 Jahre später für das Non plus Ultra hält.

  2. Ein schö­ner Arti­kel — wunder­bar beobachtet.Ansonsten sind Klei­der, Frisu­ren und auch das Cate­ring alles Geschmack­sa­che und das kann und soll auch nur jeder für sich selbst entschei­den! Künf­tige Abiball Orga­ni­sa­to­ren sollte sich mal die Möglich­keit des “Home-Shut­tle-Service” der Abiball Planer anschauen. Die junge Frau wäre da, ohne Klein­geld im Satin-Kleid vorhal­ten zu müssen, nach Hause gekom­men.

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*