Hauptbahnhof, Ausgang Washingtonplatz. Viele Menschen strömen durch die gläsernen Drehtüren. Draußen steht ein Mann Mitte Dreißig, sehr lang, sehr dünn, sehr schmutzig. In der Hand hält er eine Zeitschrift, vermutlich eine von den Obdachlosenzeitungen. Immer wieder geht er auf die vorbeilaufenden Menschen zu, hält ihnen die Zeitung fast ins Gesicht. Er ist sehr aufdringlich, das sieht man. Eine Frau hebt die Arme vor’s Gesicht, fühlt sich bedrängt. Er ist aggressiv, schreit sie an, sie läuft weg, er ein Stück hinterher. Ein zufällig anwesender Bundespolizist geht dazwischen. Kurz danach ist der Mann wieder da, stürmt auf die nächsten zu, schreit wieder rum.
Ein anderer Mann, vielleicht 30 Jahre alt, schmal, recht klein, steht schüchtern am Rand. Auch er will Zeitschriften verkaufen, hat einen ganzen Stapel auf dem Arm. Unauffällig zeigt er sie den Passanten in seiner Nähe, seine zurückhaltende Art ist das genaue Gegenteil vom Langen. Der aber erblickt ihn jetzt, stürmt auf ihn zu, schreit ihn an, bedrängt ihn. Der andere zieht sich zurück und überlässt dem anderen das Feld. Eine Minute später ist er aber wieder da, geht jedoch dem Langen aus dem Weg. Er hat Angst, wieder weggebissen zu werden, aber irgendwie muss er seine Zeitschriften ja auch verkaufen.
Normalerweise verkauft hier eine alte Frau ihre Zeitungen, sie kann kaum laufen und sich erst recht nicht gegen die junge Konkurrenz wehren. Wahrscheinlich wurde sie schon vertrieben. Es ist traurig, was hier passiert.
Schreibe den ersten Kommentar