Verwirrt und verirrt

Es gibt Dinge, die mag man als Taxi­fah­rer nicht. Zum Beispiel Fahr­gäste, die einen Stra­ßen­na­men sagen, den man nicht kennt — und die auch nicht wissen, wo diese Straße liegt. So ist es mir abends um Elf am Fried­rich­stadt­pa­last passiert. Die alte Dame nannte mir den Stra­ßen­na­men, aber nicht, dass die Straße nicht in Berlin ist. Auf meine Frage, wo das denn wäre, sagte sie: “Das weiß ich auch nicht genau, ich wohne dort erst seit einer Woche.”
“Aber in Berlin ist es sicher?”
“Ja, natür­lich.”
Mein Navi­ga­ti­ons­ge­rät zeigte mir genau eine Straße mit diesem Namen an, aller­dings nicht in Berlin: “Könnte es sein, dass Sie die Straße in Hoppe­gar­ten meinen?”
“Ja. Hatte ich das nicht gesagt?”
“Nein”, sagte ich freund­lich.
Die Fahrt dort hin verlief ähnlich skur­ril. Das lag zum einen daran, dass ich anders als sonst mit dem Navi gefah­ren bin. Hoppe­gar­ten kann man nämlich über zwei große Ausfall­stra­ßen anfah­ren, die Frank­fur­ter und die Lands­ber­ger Allee. Nicht weit hinter der Stadt­grenze liegt der Ort genau dazwi­schen. Und natür­lich wusste die alte Lady nicht, welches der rich­tige Weg ist.
Mein Navi wusste es aber leider auch nicht. Mehrere Male versuchte es mich durch Stra­ßen zu lotsen, von denen ich wusste, dass es da nicht lang gehen kann. Sowohl die Karl-Lade- als auch die Herz­berg­straße sind Sack­gas­sen, da ist mit dem Auto kein Durch­kom­men.
Und auch als wir schon in Bran­den­burg waren, versuchte es mich immer wieder über verkehrs­be­ru­higte Wege und einmal sogar in einen Wald zu locken.

Es gibt Dinge, die mag man als Taxi­fah­rer. Zum Beispiel Fahr­gäste, die abso­lut die Ruhe weg haben. Wenn ich über das Navi fluchte, lächelte sie nur und meinte, dass sie von den Möglich­kei­ten der moder­nen Tech­nik sehr faszi­niert sei. Ich über­legte, ob das ernst gemeint war oder spöt­tisch. Aber es stimmte wohl wirk­lich. Mehr­mals lobte sie mein souve­rä­nes Verhal­ten, sogar als ich das zweite Mal rück­wärts auf eine Kreu­zung fuhr, weil uns das Navi wieder zu offen­sicht­lich in die Pampa schi­cken wollte. “Ich fühle mich bei Ihnen sehr wohl und gut aufge­ho­ben, ich spüre, dass Sie mich gut nach Hause brin­gen.” Da war ich mir noch nicht so sicher.
Auch die Geschich­ten, die sie mir auf dem Weg erzählte, waren nicht ohne. Zum Beispiel, wie sie als Kind in Ostpreu­ßen aufge­wach­sen war, wie die Wehr­macht­sol­da­ten in ihrem Dorf auf die russi­sche Armee warte­ten und sie zurück­schla­gen wollte. Und wie ihre Mutter und die ande­ren Frauen die zehn Land­ser einfach entwaff­ne­ten und fort jagten.

Es gibt Dinge, die mag man als Taxi­fah­rer nicht. Zum Beispiel Fahr­gäste, die am Ende der Fahrt völlig anders reagie­ren, als erwar­tet. Als ich der alten Dame den Fahr­preis von 39 Euro nannte, schaute sie mich erschro­cken an, alles Lächeln war aus ihrem Gesicht gewi­chen, sie sagte nur: “Das kann doch nicht wahr sein!”
Mit Sicher­heit war ich durch die Irri­ta­tio­nen mit dem Navi einige Umwege gefah­ren, die meis­ten davon wohl inner­halb ihres Ortes. Viel­leicht hätte es sonst auch nur 35 Euro gekos­tet, aber insge­samt war der Fahr­preis nicht so astro­no­misch. “Was haben Sie denn gedacht, was das kostet? Es ist doch eine weite Stre­cke gewe­sen, die wir gefah­ren sind.”
“Aber 39 Euro? Das verstehe ich nicht.”
Mir war das wirk­lich unan­ge­nehm, auch wenn ich kaum was dafür konnte. Sie reicht mir einen 50-Euro-Schein:
“Ich war mir nicht sicher, ob hundert Euro reichen, und nun sind es nur 39. Also nehmen Sie wenigs­tens das hier.”
Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich wartete noch, bis sie in ihrem Haus verschwun­den war und folgte nun den Schil­dern Rich­tung Berlin.

Erst viel später merkte ich, dass das Navi nach dem letz­ten Update eine neue Funk­tion auf dem Gerät hatte und es stan­dard­mä­ßig auf Fußgän­ger einge­stellt war. Deshalb die Wald­wege und die ange­zeig­ten geschätz­ten sieben Stun­den Fahr­zeit.
Nach dieser langen, etwas stres­si­gen aber schö­nen Fahrt sowie 11 Euro Trink­geld folgte auf dem Rück­weg in Lich­ten­berg noch ein Winker nach Mitte. Was will man mehr.

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7 Kommentare

  1. Schon die ´Geld-zu-wenig-statt-zu-viel´ Verir­rung ist Spitze, aber das mit dem Fußgän­ger toppt es noch! Ich habe fast flach­ge­le­gen! :-) Aber das passiert halt, da kannst du nichts machen.

  2. Sehr schön und auch sehr schön geschrie­ben!
    »Ich fühle mich bei Ihnen sehr wohl …” Das ist sicher ein Satz, den man als Taxi­fah­rer gerne öfter hören möchte. Will ihn mir merken :-)

  3. Ja, insge­samt gehört diese Fahrt sicher zu denen, die noch lange im Gedächt­nis blei­ben. Zum Schluss hat sie sich noch mit “Bis zum nächs­ten Mal!” verab­schie­det. Darüber würde ich mich echt freuen.

  4. LOL — also auf Fußgän­ger-Modus hatte ich bei “… mich durch Stra­ßen zu lotsen, von denen ich wusste, dass es da nicht lang gehen kann (…) Sack­gas­sen.” getippt. Das mit dem Wald­weg hatte das in mir noch verstärkt.

    Der Schluß aller­dings — der ist Spitze. Und ich war noch so am über­le­gen, ob du jetzt auf 35 redu­zierst ;)

  5. @ ednong
    Ich bin mir sicher, dass es den Fußgän­ger­mo­dus vorher dem Update nicht gab. Sonst wäre ich da vermut­lich auch drauf gekom­men.

  6. Ah ok,
    ich kenne es eigent­lich von allen bishe­ri­gen Navis, dass dort ein solcher Modus exis­tiert. Von daher vermu­tete ich das schon. Dennoch: schön zu lesen ;)

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