Träge Liebe

Eigent­lich vertra­gen sich Liebe und Träg­heit nicht. Wer sich liebt, ist aktiv, unter­nimmt etwas, natür­lich oft unter­bro­chen von Küsse­reien und so ’nem Kram. Sie saßen beide auf dem Rasen neben dem Edel-Hotel Ritz Carl­ton. Den hat ein Künst­ler entwor­fen, schätze ich, denn es ist kein norma­ler Rasen. Er verläuft schräg, wird unter­bro­chen durch einen Weg und gibt Menschen wie ihnen eine Unter­lage, um die Liebe und die Träg­heit auszu­le­ben. Viel­leicht ist ja die Hitze schuld, dass sie nicht mehr machen, als stun­den­lang dort zu sitzen und zu liegen. Inner­halb von drei Stun­den habe ich sie dort gese­hen. Sie woll­ten nicht weg, sie umarm­ten sich, sie rede­ten mitein­an­der, sie saßen stumm da und tran­ken. Der warme Sommer­wind hat sie viel­leicht schläf­rig werden lassen, die Schwüle lässt dazu jede Bewe­gung über­flüs­sig erschei­nen. Es war wie eine nächt­li­che Siesta, wirk­li­che Turtel­täub­chen, die sich in diesem klei­nen Ort zwischen Sony-Center und Tier­gar­ten eine Höhle geschaf­fen haben. Marie heißt die eine, das habe ich mitbe­kom­men, als sie kurz etwas lauter gere­det haben. Aber meist waren sie ja stumm.
Vier­mal stand ich in dieser Zeit an der Taxi­halte, nur wenige Meter entfernt. Beim letz­ten Mal erkann­ten sie mich wieder und wink­ten. Ich lachte und grüßte zurück. Dann beschäf­tig­ten sie sich wieder mit sich selbst. Es war ein so fried­li­ches Bild, das Sehn­sucht in mir weckte. Und das mich ein biss­chen mit meiner Umwelt versöhnte, die mich vorher in Form fehlen­der oder schlecht gelaun­ter Fahr­gäste geär­gert hat. Um Mitter­nacht war der Platz dann leer. Ich dachte, dass jeder sehen müsste, dass da nun etwas fehlt. Viel­leicht seh ich sie ja dort irgend­wann mal wieder, Marie und ihre Freun­din.

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Berlin-Tempelhof

In viele Parks und Wiesen einge­bet­tet und wunder­schön an den Ufern des Teltow-Kanals gele­gen ist Tempel­hof einer der ruhi­gen, unauf­fäl­li­gen Bezirke Berlins, der jedoch auf eine bewegte Geschichte zurück­blickt. Auf dem Tempel­ho­fer Feld trai­nier­ten einst […]

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