Die spinnen, die Prenzlberger

Angeb­lich ist der Prenz­lauer Berg ja von Ökos und Alter­na­ti­vies bevöl­kert, gutver­die­nen­den natür­lich. Zumin­dest für den südli­chen Teil stimmt das sicher. Aber “alter­na­tiv” sein schützt vor Spie­ßig­keit nicht, denn letzt­end­lich hat jeder doch nur seinen eige­nen Vorteil im Kopf. Und da vergisst man dann mal ganz schnell seine Liebe zur Natur, wenn vor der eige­nen Eigen­tums­woh­nung plötz­lich ein Baum gepflanzt werden soll. Spin­nen die denn?

Anstatt sich zu freuen, dass die Hufe­land­straße im Bötzow­kiez etwas mehr Grün bekommt, gehen die Neu-Eigen­tü­mer auf die Barri­ka­den. Bisher gab es nur Sträu­cher in Beton­kü­beln, im Früh­jahr will das Bezirks­amt die Straße zu einer Allee mit Plata­nen aufwer­ten, die bis zu 18 Meter hoch wach­sen können. Rund 100 “alter­na­tive” Eigen­tü­mer bekla­gen in einem Protest­brief nun, dass die “Verschat­tung der Wohnun­gen” einen Wert­ver­fall zur Folge hätte. Und: Die Bäume würden zu einem “Verlust an Wohn- und Aufent­halts­qua­li­tät” führen. Beton­kü­bel­sträu­cher statt rich­ti­ger Bäume als Quali­täts­merk­mal? Merk­wür­di­ges Prenz­l­berg.

Auch einer der bekann­tes­ten Kiez­be­woh­ner macht sich derzeit mit seinem loka­len Protest lächer­lich: Wolf­gang Thierse ist ein Koll­witz­platz-Urge­stein, seit über 30 Jahren wohnt er in der Knaack­straße direkt am Platz. Den Öko-Wochen­markt am gegen­über­lie­gen­den Ende hat er immer gerne besucht. Als der Markt nun auf seine Seite verlegt wurde, sah der SPD-Poli­ti­ker rot: Er sieht ernst­haft die Demo­kra­tie in Gefahr, weil er vorher nicht gefragt wurde. Thierse schrieb einen Brief an das Bezirks­amt, in dem er sich über die Verle­gung des Mark­tes beschwert. In diesem Brief ist aller­dings nicht die Rede davon, dass er als Anwoh­ner dage­gen ist. Statt­des­sen benutzte er sein Brief­pa­pier als Vize­prä­si­dent des Deut­schen Bundes­ta­ges, schick mit Bundes­ad­ler. Viel­leicht hofft er ja, dass der Bezirk nun denkt, der gesamte Bundes­tag wäre gegen den neuen Markt-Stand­ort. Und wenn die Verle­gung nicht rück­gän­gig gemacht wird? Will Thierse dann even­tu­ell im Bundes­tag den Krisen­fall ausru­fen? Bundes­wehr­ein­satz im Prenz­lauer Berg? Wird schon geprüft, ob ein NATO-Vertei­di­gungs­fall vorliegt? Even­tu­ell könn­ten die Panzer danach ja auch gleich in die Hufe­land­straße fahren, die neu gepflanz­ten Plata­nen umnie­ten.
Die spin­nen, die Prenz­l­ber­ger. Zumin­dest einige.

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