Die Zerris­sen­heit des deut­schen Volkes, die sich im Laufe der Weima­rer Repu­blik entwi­ckelte, die Heraus­bil­dung der extre­mis­ti­schen Ideo­lo­gien, die Spal­tung der Bevöl­ke­rung in poli­ti­sche Lager und der daraus resul­tie­rende Hass — all dies machte natür­lich auch an den Türen der Kirchen nicht halt. Die Gemein­den waren ja nicht aufgrund poli­ti­scher, sondern aufgrund reli­giö­ser Inter­es­sen zusam­men­ge­setzt. Und so waren sie ein Spie­gel­bild der damals exis­tie­ren­den Gesell­schaft, mit all deren poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Wider­sprü­chen und Konfron­ta­tio­nen.
Das »rassi­sche« Denken hielt dabei nicht nur bei vielen Gemein­de­mit­glie­dern Einzug in die Köpfe, sondern auch bei so manchem kirch­li­chen Funk­ti­ons­trä­ger. Bereits Anfang 1932 bilde­ten sich die natio­nal­so­zia­lis­ti­schen »Deut­schen Chris­ten«.

Der »Aufmarsch der Deut­schen Chris­ten« in Gemein­de­kir­chen­rä­ten (GKR) und Gemein­de­ver­tre­tun­gen zeigte sich zuerst bei den Kirchen­wah­len am 13. Novem­ber 1932. Unter der Führung des Berli­ner Pfar­rers Joachim Hossen­fel­der von der Kreuz­ber­ger Chris­tus­kir­che hatten sie sich am 11. Februar 1932 konsti­tu­iert und im Juni ihre Richt­li­nien heraus­ge­ge­ben, in denen es u.a. heißt: »1) Bekennt­nis zu einem beja­hen­den artge­mä­ßen Chris­tus­glau­ben, wie er deut­schem Luther­geist und heldi­scher Fröm­mig­keit entspricht. 2) Das wieder­erwachte deut­sche Lebens­ge­fühl in unse­rer Kirche zur Geltung brin­gen und unsere Kirche lebens­kräf­tig machen. 3) Rasse, Volks­tum und Nation sind uns von Gott geschenkte und anver­traute Lebens­ord­nun­gen, für deren Erhal­tung zu sorgen ist uns Gottes Gesetz. Daher ist der Rassen­ver­mi­schung entge­gen­zu­tre­ten.« Diese Richt­li­nien bilde­ten zugleich das Wahl­pro­gramm, mit dem die DC um Stim­men warben.

Bei den Wahlen am 30. Novem­ber 1932 erran­gen die DC im Durch­schnitt ca. 30% der Sitze in den Gemein­de­kir­chen­ver­tre­tun­gen, dabei in Himmel­fahrt sieben von 18 Sitzen. Die DC werte­ten dieses Ergeb­nis als ersten Sieg. DC-Pfar­rer Karl Themel schrieb: »In vier Jahren muss die Evan­ge­li­sche Kirche der Deut­schen Chris­ten stehen«. Eine Zuver­sicht über Zusam­men­ar­beit und gemein­same Verant­wor­tung zu einem harmo­ni­schen Zusam­men­wir­ken, wie sie noch der Gene­ral­su­per­in­ten­dent der Kurmark, Dr. Otto Dibe­l­ius, im Okto­ber 1932 äußerte, erfüllte sich dann aber nicht. Zusam­men­ar­beit hieß für die DC »Gleich­schal­tung«, Allein­herr­schaft. Inner­halb der Gemein­den kam es zu regel­rech­ten Kampa­gnen von DC-Mitglie­dern gegen miss­lie­bige Pfar­rer oder Gemein­de­mit­glie­der, die schon bald erste Wirkun­gen zeig­ten. Pfar­rer Paul Mendels­ohn von der Dankes­kir­chen-Gemeinde im Wedding wurde wegen seines jüdi­schen Namens und seines jüdi­schen Groß­va­ters so lange verleum­det, schi­ka­niert und denun­ziert, bis er schließ­lich am 1. Okto­ber 1933 seine zwangs­weise Pensio­nie­rung hinneh­men musste. Ein ähnli­ches Vorge­hen gab es dann auch inner­halb der Himmel­fahrt-Gemeinde gegen Pfar­rer Werder.

Pfar­rer Werder, 1926 auf die erste Pfarr­stelle beru­fen, wirkte haupt­säch­lich im Jugend­heim in der Hussi­ten­straße 37 (»drit­ter Bezirk«), wo er Konfir­man­den-Unter­richt, Kinder­got­tes­dienste und Bibel­stun­den abhielt.
Gegen­über den DC nahm er eine ableh­nende Haltung ein, hatte dabei große Ausein­an­der­set­zun­gen mit seinen beiden Amts­brü­dern, Pfar­rer Ippig und Pfar­rer Korn, die am 1. April 1933 und am 12. Novem­ber 1933 vom dann schon DC-domi­nier­ten (16 von 18 Sitzen) Gemein­de­kir­chen­rat beru­fen worden waren. Frei­lich konnte die DC auch nicht verschwei­gen, dass es in Himmel­fahrt eine Gemeinde der Beken­nen­den Kirche gab, geführt von Pfar­rer Werder. Als diese in einem großen Bibel­stun­den­kreis begann, eine Rede des Berli­ner DC-Gauob­manns Krause als das zu bezeich­nen, was sie war, nämlich eine Verkün­dung von Irrleh­ren, begann ein fast zwei Jahre dauern­der Kampf der DC-Vertre­ter an der Himmel­fahrt-Kirche gegen Pfar­rer Werder, in dem mit Anzei­gen, Verdäch­ti­gun­gen und Schi­ka­nen gear­bei­tet wurde. Die BK-orien­tierte Jugend­ar­beit des Pfar­rers Werder im Jugend­heim Hussi­ten­straße sollte voll­stän­dig ausge­schal­tet werden; die Über­tra­gung des Erzie­hungs­mo­no­pols an die HJ bot eine will­kom­mene Gele­gen­heit.
Im Gemein­de­kir­chen­rat wurde beschlos­sen, eine »evan­ge­li­sche Jugend­er­zie­hung« einzu­rich­ten, an der alle Konfir­man­den pflicht­ge­mäß teil­zu­neh­men hatten, sowie auch die gänz­li­che Schlie­ßung des Jugend­heims erwo­gen. Auf Inter­ven­tion von Super­in­ten­dent Rich­ter wurde letz­te­res vorläu­fig fallen­ge­las­sen, nicht aber das Ziel, Pfar­rer Werders Arbeit zu zerstö­ren. Der GKR stellte gegen Pfar­rer Werder eine Anzeige wegen »Unwahr­haf­tig­keit, Untreue, Eigen­nutz und Hetze«. Im Septem­ber 1934 erließ dann auch noch das Evan­ge­li­sche Konsis­to­rium eine Verfü­gung, mit der Pfar­rer Werder »vorläu­fig die Ausübung jeder Amts­ver­rich­tung unter­sagt« und gleich­zei­tig sein Gehalt gesperrt wurde. Der GKR schien so am Ziel seiner Bemü­hun­gen ange­langt zu sein.
Doch auch die Beken­nende Kirche blieb nicht untä­tig. Sie über­nahm die Gehalts­zah­lung, half Pfar­rer Werder seine Gemein­de­ar­beit fort­zu­set­zen, indem sie in der Stral­sun­der Straße einen leer stehen­den Laden mietete (dort wurden Konfir­man­den­un­ter­richt, Bibel­stunde und Kinder­got­tes­dienst abge­hal­ten und von Frau Werder die Frau­en­hilfe fort­ge­führt), und trug schließ­lich verschie­dene Mate­ria­lien zusam­men, um so auf ein mögli­ches Diszi­pli­nar­ver­fah­ren vorbe­rei­tet zu sein. Im Januar 1935 hob das Ev. Konsis­to­rium seinen Beschluss vom Septem­ber 1934 wieder auf, Verfeh­lun­gen des Pfar­rers Werder konn­ten nicht fest­ge­stellt werden, er war somit reha­bi­li­tiert.

Trotz­dem wurden Pfar­rer Werders Gottes­dienste weiter bespit­zelt. Deshalb erfuhr selbst der Vertrau­teste nur so viel, wie er unbe­dingt wissen musste, um bei Verhö­ren nicht zu viel preis­ge­ben zu können. Verstärkt öffnete Pfar­rer Werder seine Wohnung für Gemein­de­mit­glie­der; in einer persön­li­chen Atmo­sphäre konnte so auch der Konfir­man­den­un­ter­richt statt­fin­den, ein Stück verbo­tene Jugend­ar­beit ersetzt werden. Als Verant­wort­li­cher des Bruder­rats der Beken­nen­den Kirche für den Kirchen­kreis traf er sich mit ande­ren BK-Pfar­rern regel­mä­ßig in seiner Wohnung und besprach Gemein­de­an­ge­le­gen­hei­ten, Tages­fra­gen und über­re­gio­nale Ereig­nisse. Die DC aber blie­ben weiter­hin stark, was sich insbe­son­dere an der Wahl von Pfar­rer Jebens auf die zweite Pfarr­stelle an Himmel­fahrt im Jahre 1939 erse­hen lässt.

Die Gemeinde im Wider­stand lebte von vielen einzel­nen, beken­nen­den Chris­ten. Bereit, auch Konse­quen­zen ihres Gehor­sams gegen­über dem Evan­ge­lium zu tragen, stel­len sie das dar, was wir heute kirch­li­chen Wider­stand nennen. Sie handel­ten in einer schwe­ren Zeit, folgend dem Maß ihres vom Evan­ge­lium gelei­te­ten Gewis­sens, und waren so auch befä­higt, Wider­stand zu leis­ten. »Die beken­nen­den Gemein­de­mit­glie­der zur Zeit des Natio­nal­so­zia­lis­mus rede­ten nicht vom Wider­stand. Sie lebten aus dem unver­fälsch­ten Evan­ge­lium.«

Der Zweite Welt­krieg schlug viele Wunden in die christ­li­chen Gemein­den, auch die alte Himmel­fahrt­kir­che war durch Bomben­ab­wurf und Artil­le­rie­be­schuss zerstört worden. Die Gottes­dienste wurden darauf­hin in ein ehema­li­ges Lokal an der Ecke Swine­mün­der und Ramler­straße verlegt. Mit dieser unbe­frie­di­gen­den Situa­tion mochte man sich auf Dauer aber nicht abfin­den. So wurde so bald der Plan zum Bau einer neuen Kirche gefasst. Eine konkrete Form nahm dies am 28. Juli 1951 an: Unter der Leitung von Pfar­rer Eick­mann grün­dete man einen Bauver­ein zum Kirchen­neu­bau. Für diesen Bauver­ein wurden nun stän­dig neue Mitglie­der gewor­ben, um in finan­zi­el­ler Hinsicht das Notwen­dige für die Durch­füh­rung eines Neubaus zu sichern. Die Höhe der Spen­den bewegte sich dabei von 50 Mark aufwärts, die Namen der Spen­der wurden nicht genannt. Alle Beihil­fen und Darle­hen kirch­li­cher Stel­len waren dabei gebun­den an die finan­zi­elle Mithilfe der Gemeinde im Rahmen ihrer sozia­len Struk­tur. Erst wenn die Bereit­schaft zu eige­nen finan­zi­el­len Opfern gezeigt worden war, konnte man dies auch von ande­ren erwar­ten.

Als Bauplatz wurde von der Gemeinde immer wieder der Humboldt­hain favo­ri­siert. Statt auf dem alten Platz, auf dem der Turm der alten Kirche als letz­tes Stück der Spren­gung am 14. Juli 1949 in sich zusam­men­sank, wurde durch Beschluss der Bezirks­ver­ord­ne­ten­ver­samm­lung Wedding ein Bauplatz in der Südost­ecke des Humboldt­hains zuge­wie­sen. Bauge­lände war jetzt also vorhan­den, auch ein Archi­tekt, Prof. Dr. Bart­ning, in Aussicht genom­men. Die Zeich­nun­gen verschie­de­ner Archi­tek­ten wurden in einer Bauver­eins-Mitglie­der­ver­samm­lung am 23. Okto­ber 1952 gezeigt, hier entschied man sich dann auch endgül­tig für den Entwurf von Prof. Dr. Bart­ning. Als letzte Hürde musste die Finan­zie­rung wenigs­tens für den ersten Bauab­schnitt genom­men werden. Das Funda­ment für Möglich­kei­ten von Spen­den, Beihil­fen und Darle­hen war dabei immer der Bauver­ein. Im Endergeb­nis lagen im Novem­ber 1953 für die Durch­füh­rung des ersten Bauab­schnitts 200.000 DM vor.

Wich­tig für den Archi­tek­ten Bart­ning war nicht so sehr das Äußere der Kirche, es kam nicht auf den Beschauer, viel­mehr auf den Gottes­dienst­be­su­cher an. Daher auch der Kirchen­ein­gang nach Norden: Der aus dem Gottes­raum Tretende hat den Park vor sich, zu noch blei­ben­der inne­rer Samm­lung.
Am 30. Dezem­ber 1953 schließ­lich wurde mit dem Bau der Kirche begon­nen, die dann am 20. Mai 1956 ihre Einwei­hung feiern konnte. Im Früh­jahr 2001 wurde sie gemein­sam mit der Frie­dens­ge­meinde zur »Kirche am Humboldt­hain«.

Erinnerung an die alte Himmelfahrt-Kirche

Von Fritz Koch

»Berlin hatte viele schöne Kirchen. Im Kriege 1939–1945 wurden fast alle von Bomben getrof­fen und zerstört. Nur wenige Kirchen konn­ten wieder aufge­baut werden. Leider wurde auch die vom Baumeis­ter Orth erbaute Himmel­fahrt-Kirche durch Bomben sehr beschä­digt. Die Ruine wurde 1949/50 abge­ris­sen. Es war ein großer Verlust. Das Bauwerk war mit seinen ocker­far­bi­gen Mauer­stei­nen fast heiter im grünen Humboldt­hain gebor­gen.
Wir wohn­ten in Reini­cken­dorf und es war ein weiter Weg von über einer halben Stunde bis zur Himmel­fahrt-Kirche. Meine Mutter stammte aus Rothe­mühl in Pommern. Dort predigte in der klei­nen Dorf­kir­che ein Pastor Preuß. Unsere Mutter erzählte uns, daß seine Predig­ten lang und groß­ar­tig waren. Er konnte kaum enden und zum Schluss brachte er das Gottes­wort fast donnernd über seine Gemeinde, so dass sich die Leute fürch­te­ten.

Die Kaise­rin rief ihn nach Berlin. Viele Jahre predigte er in der Himmel­fahrt-Kirche. Unsere Mutter führte uns Kinder so manchen Sonn­tag zum Gottes­dienst in diese Kirche. Wir bestaun­ten die vielen Säulen, goti­schen Bogen. Und hoch oben war ein großes blaues Decken­ge­wölbe mit vielen golde­nen Ster­nen. Feier­li­cher Gesang und die brau­sende Orgel erfüll­ten das präch­tige Kirchen­schiff. Diese schöne Erin­ne­rung ist uns geblie­ben.

Der Pastor begrüßte die Kirchen­be­su­cher. Er freute sich sehr, unsere Mutter begrü­ßen zu können. Denn sie kann­ten sich ja schon aus Rothe­mühl, aus Pommern. Pastor Preuß hat unsere Mutter als Konfir­man­din in der klei­nen Dorf­kir­che einge­seg­net. So war es ein freu­di­ges Wieder­se­hen in Berlin.
Der Pastor war sehr beliebt und wurde sehr verehrt. Sein Tod war eine große Trauer. Seinem Sarge folg­ten tausend Trau­ernde. Der Trau­er­zug füllte die Badstraße, Prin­zen­al­lee und Wollank­straße, wo er auf dem Elisa­beth-Fried­hof beigesetzt wurde. Ob sein Grab heute noch besteht, weiß ich nicht.
Als Zeich­ner und Maler hat mir die male­ri­sche Kirche im Humboldt­hain stets gut gefal­len. Es ist schade, dass ich diese nicht im Bild verewigt habe. Als ich die Ruine zeich­nen wollte, im März 1950, war das schöne Bauwerk bis auf den Grund abge­ris­sen. Ein Kran und eine Loren­bahn besei­tig­ten die letz­ten Trüm­mer. Von diesem trau­ri­gen Rest habe ich eine Skizze gemacht.«

[Von Fritz Koch stam­men auch die Zeich­nun­gen zum Humboldt­hain im nächs­ten Arti­kel]

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