Lebens­da­ten: * 15.11.1936 (Hamburg)

Infor­ma­tio­nen zur Person:
Sänger, Schrift­stel­ler, DDR-Oppo­si­tio­nel­ler

Wolf Bier­mann ist der Sohn eines jüdi­schen Arbei­ters, der 1943 in Ausch­witz ermor­det wurde. Ab den 60er Jahren waren Bier­manns Veröf­fent­li­chun­gen in der DDR verbo­ten, er war einem Auftritts­ver­bot unter­wor­fen und wurde 1976 ausge­bür­gert. Dieser Schritt der DDR-Führung provo­zierte unge­ahnte Proteste.

Begon­nen hat Bier­manns poli­ti­sche Geschichte 1953, als er als Vertre­ter der Bundes­re­pu­blik als Junger Pionier beim Welt­ju­gend­tref­fen in Ost-Berlin teil­nahm. Drei Jahre später, im Alter von erst 17 Jahren, siedelte er in die DDR über.
Von 1955 bis 1957 studierte Wolf Bier­mann an der Humboldt-Uni Philo­so­phie und Mathe­ma­tik, in dieser Zeit begann er auch mit dem Schrei­ben von Gedich­ten und Liedern, worin ihn Hanns Eisler unter­stützte.
1961 bis 1963 arbei­tete er beim Berli­ner Arbei­ter- und Studen­ten­thea­ters (b.a.t.) mit, sein Stück “Berli­ner Braut­gang”, das den Mauer­bau zum Thema hatte, wurde jedoch nicht zur Auffüh­rung zuge­las­sen, statt­des­sen musste das Thea­ter aufge­löst werden.

1965 erschien Bier­manns Gedicht­band “Die Draht­harfe” sowie die Schall­platte “Wolf Bier­mann (Ost) zu Gast bei Wolf­gang Neuss (West)”, darauf auch das Gedicht Deutsch­land — ein Winter­mär­chen. Darauf­hin erhält er Auftritts- und Publi­ka­ti­ons­ver­bot in der DDR. Jahre­lang konnte Bier­mann dann seine Lieder nur im enge­ren Freun­des­kreis vorspie­len, während­des­sen erschie­nen mehrere Aufnahme als Schall­plat­ten in der Bundes­re­pu­blik.
Den endgül­ti­gen Zorn der DDR-Behör­den zog sich Wolf Bier­mann im Septem­ber 1976 mit einem Konzert in der Prenz­lauer Niko­lai­kir­che zu. Ein Konzert bei einer Gewerk­schafts­ver­an­stal­tung in Köln am 13. Novem­ber 1976 nahm das SED-Polit­büro drei Tage später zum Anlass, sein Ausbür­ge­rung bekannt­zu­ge­ben, noch während sich Bier­mann im Westen aufhielt. Später wurde bekannt, dass die Ausbür­ge­rung schon seit einem Jahr geplant war.

Zwar wollte sich die Staats­füh­rung mit der Ausbür­ge­rung einen lästi­gen Oppo­si­tio­nel­len vom Hals schaf­fen, doch die Aktion ging nach hinten los. Hunderte DDR-Bürger protes­tier­ten gegen die Ausbür­ge­rung Bier­manns, viele Unbe­kannte gingen für ihren Mut teil­weise für Jahre in den Knast. Die Proteste vieler Promi­nen­ter wie Stephan Herm­lin, Christa Wolf, Stefan Heym, Jurek Becker, Heiner Müller, Sarah Kirsch oder Fritz Cremer brach­ten auch für diese lange Schi­ka­nen mit sich. Manche, wie Jürgen Fuchs oder Günter Kunert wurden in der Folge­zeit ebenso aus der DDR raus­ge­schmis­sen, andere wie Manfred Krug oder Nina Hagen verlie­ßen das Land unter dem Druck.

Bier­mann übte in der DDR Kritik aus der Posi­tion des Kommu­nis­ten, nicht des Staats­fein­des, er wollte das Land refor­mie­ren, doch über­schätzte offen­bar seine Chan­cen. Nach seiner Ausbür­ge­rung soli­da­ri­sier­ten sich selbst Anti­kom­mu­nis­ten und Kirchen­kreise mit ihm, wohl auch aus dem Wissen, dass eine Verhär­tung der Verhält­nisse auch sie selber tref­fen würde.

Wolf Bier­mann war in der DDR ein freier Dissi­dent. Seine Popu­la­ri­tät schützte ihn vor dem Gefäng­nis, immer­hin war er in den 60er Jahren noch ein belieb­ter Künst­ler und persön­li­cher Bekann­ter von Margot Honecker. In all den Jahren seines Verbots schaffte es der Barde sich über Wasser zu halten. Seine Freund­schaft zu Robert Have­mann erschwerte dies sicher zusätz­lich. Bier­manns nur in der Bundes­re­pu­blik erschie­ne­nen Plat­ten kursier­ten in tausend­fa­cher Ausfer­ti­gung als Casset­ten und Tonbän­der in der DDR, seine Texte wurde unzäh­lige Male abge­schrie­ben und weiter­ge­ge­ben. Die Staats­si­cher­heit versuchte ihn mit Lügen in der Bevöl­ke­rung zu diffa­mie­ren, so wurden seine Einnah­men aus dem Plat­ten­ver­kauf als Devi­sen­schmug­gel bezeich­net, ihm wurden Verhält­nisse zu klei­nen Mädchen unter­stellt u.ä. In den Jahren seiner Verfol­gung waren an die 400 Stasi-Mitar­bei­ter mit Bier­mann beschäf­tigt.

Die Ausbür­ge­rung Wolf Bier­manns wurde mit seinem vier­stün­di­gen Konzert in Köln begrün­det. Für Bier­mann selbst war das Konzert — von dem in Prenz­lau abge­se­hen — der erste öffent­li­che Auftritt seit elf Jahren. Es fand im Rahmen eines Jugend­fes­ti­vals statt und war offen­bar von der Stasi mit beein­flusst. Bis heute unge­klärt ist, inwie­weit der Orga­ni­sa­tor Jakob Moneta (heute PDS) als Gast­ge­ber Bier­manns damals über die Pläne der Staats­si­cher­heit bescheid wusste.
Bier­mann sang in diesem Konzert natür­lich auch seine Spott­lie­der auf die DDR und die Beton­köpfe. Die “schärfs­ten” Lieder jedoch in denen er auch einzelne SED-Funk­tio­näre nament­lich angriff, spielte er bewusst nicht. Im Nach­hin­ein sagte er jedoch, dass er auch nur “Häns­chen klein” hätte singen können und trotz­dem ausge­bür­gert worden wäre. Einen Tag nach der Ausbür­ge­rung wurde das komplette Konzert im ARD-Fern­se­hen über­tra­gen. So konnte auch die breite Masse der DDR-Bürger seinen Auftritt sehen.

Bier­manns Freund Robert Have­mann protes­tierte in einem offe­nen Brief an Erich Honecker gegen die Ausbür­ge­rung, der Brief wurde im “Spie­gel” abge­druckt. Dies hatte zur Folge, dass Have­mann auf seinem Grund­stück bei Grün­heide jahre­lang Haus­ar­rest erhielt.

Deutsch­land — ein Winter­mär­chen

Im deut­schen Dezem­ber floss die Spree
Von Ost- nach West­ber­lin
Da schwamm ich mit der Eisen­bahn
Hoch über die Mauer hin

Da schwebte ich leicht übern Draht­ver­hau
Und über die Blut­hunde hin
Das ging mir so selt­sam ins Gemüt
Und bitter auch durch den Sinn

Das ging mir so bitter in das Herz
Da unten die treuen Genos­sen
So mancher, der diesen glei­chen Weg
Zu Fuß ging, wurde erschos­sen

Manch einer warf sein junges Fleisch
In Draht­ver­hau und Minen­feld
Durch­lö­chert läuft der Eimer aus
Wenn die MP von hinten bellt

Nicht jeder ist so gut gebaut
Wie der Fran­zose Franz Villon
Der kam in dem bekann­ten Lied
Mit Rotwein­fle­cken davon

Schreibe den ersten Kommentar

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*