Das alte Berlin und seine Spree

Berlin und die Spree hängen enger zusam­men, als andere Städte und ihre Flüsse. Berlin wurde aus der Spree gebaut, viele der Grün­der­zeit­häu­ser in Kreuz­berg, Mitte oder dem Prenz­lauer Berg entstan­den aus Ziegeln, die ihren Weg von Rüders­dorf über die Spree in die Stadt fanden. Doch die gemein­same Geschichte reicht viel weiter in die Vergan­gen­heit zurück, ohne die Spree würde es unsere Stadt vermut­lich gar nicht geben. Denn es waren deren flache­ren Stel­len, die hier die Ansied­lung förder­ten. Zwei Städte grün­de­ten sich im 13. Jahr­hun­dert, Berlin und Cölln, getrennt nur durch die Spree. Berlin befand sich am heuti­gen Niko­lai­vier­tel, Cölln auf der Spree-Insel, wo später das Schloss und noch später der Palast der Repu­blik stand. Cölln und Berlin wurden 1307 zu “Berlin-Cölln” vereint, 1442 wieder getrennt, um schließ­lich 1710 wieder zur gemein­sa­men Stadt Berlin zu verschmel­zen. Schon damals war die Spree zugleich ein tren­nen­der und verbin­den­der Fluss, das sollte sich im 20. Jahr­hun­dert wieder­ho­len.

Und sie war immer auch ein Fluss der Mauern. Die massive Festungs­an­lage um beide Städte, die 1683 fertig­ge­stellt wurde, bezog sogar ein Teil der Spree mit ein. Heute ist von der gewal­ti­gen Anlage kaum noch etwas zu sehen, nur der merk­wür­dige Verlauf mancher Stra­ßen­züge (z.B. Haus­vog­tei­platz, Krausnick‑, Runge- oder Neue Schön­hau­ser Straße) zeugen von dieser Geschichte.

Die Gren­zen der Stadt verlie­fen auch immer über die Spree hinweg. Und da Wasser keine Mauern trägt, musste man sich etwas ande­res einfal­len lassen, um die Funk­tion der Grenze dort zu sichern. Zur Zeit der großen Befes­ti­gung wurde der Fluss nach Einbruch der Dunkel­heit einfach geschlos­sen. Dort, wo die Spree in die Stadt hinein floss, zog man abends einen langen Baum­stamm quer über’s Wasser. So konn­ten keine Schiffe unbe­merkt nach Berlin einfah­ren. Diese Methode gab dem Ort seinen Namen: Ober­baum. Er befand sich nahe der heuti­gen Janno­witz­brü­cke, der Stadt­aus­gang mit dem Unter­baum war etwa an der jetzi­gen Fried­richs­brü­cke, zwischen Dom und Natio­nal­ga­le­rie.

Doch die Festungs­an­lage aus dem 17. Jahr­hun­dert wurde bald zu klein, die Stadt wuchs und keine 50 Jahre später entstand eine neue Grenze mit der Akzi­se­mauer. Diese diente nun weni­ger dem Schutz vor Angrei­fern, als der Siche­rung der Steu­ern und verhin­derte auch die Deser­ta­tion von Solda­ten aus der Stadt. Manche U‑Bahn-Statio­nen weisen noch auf den Verlauf hin. Das Bran­den­bur­ger Tor ist der letzte noch erhal­tene Durch­lass, und in der Hanno­ver­schen Straße finden sich — inte­griert in einen Neubau — ein paar Meter der letz­ten origi­na­len Reste der Stadt­mauer.

Nahe des Schle­si­schen Tors wurde nun erneut ein Ober­baum instal­liert. 1732 entstand ein hölze­ner Spree-Über­gang, 154 Meter lang. Die Ober­baum­brü­cke, wie wir sie heute kennen, kam erst 160 Jahre später, in Form eines mittel­al­ter­li­che Stadt­to­res wurde sie 1895 eröff­net. Da gab es die Stadt­mauer schon seit 30 Jahren nicht mehr und auch keinen Ober­baum.
Der Unter­baum befand sich zwischen 1732 und 1865 etwa an der Stelle, wo das Reichs­tags­ge­bäude fast an die Spree stößt. Mit dem Abriss der Stadt­mauer verlor auch er seine Funk­tion.

Keine 100 Jahre später jedoch verlief wieder eine Grenze, wo sich einst Ober- und Unter­baum befan­den. Auf der Ober­baum­brü­cke stand zwischen 1961 und 1989 ein Grenz­über­gang, nur für Fußgän­ger zu passie­ren. Die Spree gehörte in ganzer Breite zu Ost-Berlin und so bewach­ten bewaff­nete Solda­ten auf Patrouil­len­boo­ten die Staats­grenze der DDR. Vor allem in den 70er Jahren kamen hier mehr­mals Kinder ums Leben, die beim Spie­len ins Wasser gefal­len waren.
Auch am Ort des eins­ti­gen Unter­baums star­ben Menschen während der Teilung. Sie hatten versucht, an der eins­ti­gen Grenze von Ost- nach West-Berlin zu flüch­ten. Hier die Film­auf­nahme einer Flucht direkt am ehema­li­gen Unter­baum, vier Menschen schaff­ten es damals im Herbst 1988 nach West-Berlin:

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https://www.youtube.com/watch?v=CYzjdaCGtnE

Heute erin­nert dort kaum mehr etwas an die Geschichte dieses Ortes, nur eine kleine Tafel klärt die Touris­ten auf. Dass hier einst die Grenze der Stadt und später sogar eine Staats­grenze verlief, ist nicht zu erken­nen.

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