Bedingungsloses Grundeinkommen

Schon seit Jahren gibt es die Idee des “bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens”. Das bedeu­tet, dass jeder Mensch in einem Land monat­lich einen bestimm­ten Geld­be­trag bekommt, ohne dafür eine Gegen­leis­tung erbrin­gen zu müssen. Er muss also dafür nicht arbei­ten gehen oder seine Bedürf­tig­keit bei Ämtern nach­wei­sen.
Diese Idee hat quer durch die poli­ti­schen Lager sehr unter­schied­li­che Meinun­gen hervor­ge­bracht. Manche befürch­ten, dass dann kaum jemand noch zur Arbeit gehen würde, dadurch würde die Wirt­schafts­leis­tung des Staa­tes erheb­lich geschwächt und als Folge könnte das Grund­ein­kom­men nicht mehr gezahlt werden. Andere denken, dass es sich um ein wesent­lich gerech­te­res System als das derzei­tige handelt. Und da es nur um ein Grund­ein­kom­men geht, würden die meis­ten auch weiter­hin arbei­ten gehen, wenn sie auf dem jetzi­gen Einkom­mens­le­vel blei­ben woll­ten.

Das Grund­ein­kom­men würde alle ande­ren staat­li­chen Sozi­al­leis­tun­gen ablö­sen. Es gäbe kein Hartz IV mehr, keine Renten­zah­lung, kein Arbeits­lo­sen­geld, keine Zuschüsse für Wohnung usw. Statt­des­sen ein Einkom­men, das einem zwar das finan­zi­elle Über­le­ben sichert, mehr aber auch nicht. Soweit jeden­falls die Theo­rie.
Neben dem Grund­ein­kom­men würden die meis­ten Menschen sicher noch arbei­ten gehen, um ihre Einkom­mens­si­tua­tion zu verbes­sern. Aller­dings würde es auf dem Arbeits­markt manche Verän­de­run­gen geben. Schmut­zige, unan­ge­nehme Arbei­ten müss­ten besser bezahlt werden als bisher, weil sie sonst niemand mehr macht. Das wäre eher gerecht, denn wieso sollen ausge­rech­net z.B. Putz­frauen, Paket­bo­ten oder Kran­ken­schwes­tern schlech­tes Geld verdie­nen, die eine sehr anstren­gende Arbeit leis­ten? Und die derzei­tige Praxis des Mindest­lohns hat bereits bewie­sen, dass er in manchen Berei­chen nicht funk­tio­niert, weil die Unter­neh­mer ihn umge­hen können.
Wenn es ein Grund­ein­kom­men gäbe, müss­ten sich die Arbeit­ge­ber mehr um die Ange­stell­ten kümmern, eine Ausbeu­tung aufgrund prekä­rer Verhält­nisse wäre weni­ger möglich als heute. Viele, die heute zwei Jobs machen müssen, könn­ten wieder menschen­wür­dig leben.

Vermut­lich funk­tio­niert das bedin­gungs­lose Grund­ein­kom­men nur, wenn die Wirt­schaft gut läuft. Der Staat würde sehr viel Geld sparen, weil ein großer Teil der Verwal­tung weg fiele. Arbeits­äm­ter wären nur noch zur Jobver­mitt­lung da. Die soge­nann­ten Job-Center könn­ten aufge­löst werden. Die aber­tau­sen­den Ange­stell­ten, die derzeit mit der Prüfung beschäf­tigt sind, ob die Hilfe­su­chen­den auch “berech­tigt” sind, würden über­flüs­sig.
Gleich­zei­tig würde vermut­lich die Arbeits­lo­sig­keit sinken, weil für jeden, dem das Grund­ein­kom­men reicht und der deshalb nicht mehr arbei­ten geht, ein Arbeits­lo­ser einen Job findet.
Die Befürch­tung, dass die Wirt­schaft zusam­men­bre­chen würde, weil niemand mehr arbei­ten würde, glau­ben selbst deut­sche Unter­neh­mer nicht. So macht sich z.B. der Chef der Droge­rie­kette dm seit Jahren für das Grund­ein­kom­men stark. Und auch Teile der kapi­ta­lis­ten­freund­li­chen CDU befür­wor­ten diese Idee.

Andere Länder sind dabei schon weiter. Derzeit wird in Finn­land, den Nieder­lan­den und der Schweiz die Einfüh­rung des Grund­ein­kom­mens konkret disku­tiert. Im Jahr 2016 werden dort erste Schritte unter­nom­men, um eine Entschei­dung darüber zu finden. Inter­es­sant ist, dass die Länder zwar das bedin­gungs­lose Grund­ein­kom­men disku­tie­ren, aller­dings in unter­schied­li­chen Formen.
Das schwei­zer Modell sieht vor, umge­rech­net 1.500 Euro auszu­zah­len, was dort unter­halb des derzei­ti­gen Durch­schnitts­lohns liegt. Zahl­rei­che Umfra­gen haben erge­ben, dass 10 bis 20 Prozent der Erwerbs­tä­ti­gen weni­ger arbei­ten würden als heute. Bereits im kommen­den Sommer soll es in der Schweiz eine Volks­ab­stim­mung darüber geben.

In Finn­land wird dage­gen eher über die Hälfte des Betrags disku­tiert, viel­leicht 800 Euro. Hier wären die Bezie­her auf jeden Fall gezwun­gen, neben­her noch zu arbei­ten, weil die Lebens­hal­tungs­kos­ten in dem Land recht hoch sind. Die Entschei­dung für die Einfüh­rung ist im Prin­zip schon gefal­len, im Jahr 2017 werden die ersten Schritte einge­lei­tet. Derzeit werden noch verschie­dene Modelle disku­tiert, im Jahr 2016 soll die Entschei­dung getrof­fen werden.

In den Nieder­lan­den gibt es eben­falls konkrete Modell­pro­jekte, bisher aller­dings nur regio­nal und auf einen über­schau­ba­ren Perso­nen­kreis beschränkt. In Utrecht erhal­ten bereits ab Januar 2016 mehrere hundert Bürger ein Grund­ein­kom­men von rund 900 Euro. Dabei handelt es sich nur um Leute, die derzeit Sozi­al­hilfe bezie­hen, was die Auswir­kun­gen auf den Arbeits­markt kaum trans­pa­ren­ter machen wird. Gronin­gen und Maas­tricht folgen im Laufe des Jahres. Ziel der Regie­rung ist es, die Sozi­al­kas­sen zu entlas­ten und die Büro­kra­tie abzu­bauen. Von den Ergeb­nis­sen ist es abhän­gig, ob der Empfän­ger­kreis ausge­wei­tet wird.

Auch wenn es teil­weise neoli­be­rale Regie­run­gen wie in Finn­land sind, die jetzt am bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­men arbei­ten: Es handelt sich in der Konse­quenz auch um eine soziale Maßnahme. Jeder Bürger hat dann einen Anspruch auf die Auszah­lung, er muss nicht mehr beim Amt betteln gehen oder die mieseste Arbeit für einen Hunger­lohn akzep­tie­ren. Für einen Teil der Bezie­her könnte sich die Situa­tion aller­dings auch verschlech­tern. Wer z.B. aufgrund einer chro­ni­schen Krank­heit auf eine höhere Unter­stüt­zung ange­wie­sen ist, wird bei einem festen Grund­ein­kom­men weni­ger Geld zur Verfü­gung haben.
Es wird span­nend zu sehen, wie sich die test­weise Einfüh­rung des bedin­gungs­lo­sen Grund­ein­kom­mens in der Praxis auswirkt. Bis es aber in einem großen Land wie Deutsch­land einge­führt wird, werden wohl noch viele Jahre verge­hen.

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