Weizsäckers Kampf gegen die Hausbesetzer

Richard von Weiz­sä­cker wurde die letz­ten Jahr­zehnte in der deut­schen Gesell­schaft sehr verehrt. Doch viele Berli­ner, die in den 1980ern jung waren, haben ein ande­res Bild von ihm. Denn er ist mitver­ant­wort­lich für den Tod mehre­rer Menschen, die während seiner Zeit als Regie­ren­der Bürger­meis­ter durch die Poli­zei zum Opfer wurden. Weiz­sä­cker hielt sich als Innen­se­na­tor den CDU-Partei­freund Hein­rich Lummer, der später seinen Posten räumen musste, weil ihm Geld­zah­lun­gen an die NPD nach­ge­wie­sen wurden. Über­rascht hat die Unter­stüt­zung der Neona­zis kaum jemand, Lummer galt schon immer als stramm rech­ter Recke.

Am 22. Septem­ber 1981 schlug der Berli­ner Senat zu: 200 Haus­be­set­zun­gen hatten ihn in den Vormo­na­ten gequält, nun sollte damit Schluss sein. Obwohl sich viele der besetz­ten Häuser um eine Lega­li­sie­rung bemüh­ten, ging der Senat mit äußers­ter Härte gegen sie vor, er war an einer fried­li­chen Lösung nicht inter­es­siert.

Den Blut­hund machte Hein­rich Lummer, er setzte die harte Linie durch, sein Chef Richard von Weiz­sä­cker nickte sie ab. Mindes­tens zwei Tote und über 200 Verletzte forderte das Vorge­hen der Poli­zei. Weiz­sä­cker scha­dete es nicht, er konnte vier Jahre später in seiner „Berli­ner Rede“ den guten Menschen spie­len. Im Herbst 1981 jedoch war er mitver­ant­wort­lich für eine unsäg­li­che Hetze gegen tausende junger Menschen in unse­rer Stadt, die einen Teil der rund tausend leer­ste­hen­den Wohn­häu­ser Berlins besetzt hatten.

Die Machen­schaf­ten der Speku­lan­ten, die die Häuser verrot­ten ließen, um Abriss­ge­neh­mi­gun­gen zu bekom­men und dann teure Neubau­ten errich­ten zu können, hatten zu dieser Zeit einen Höhe­punkt erreicht. An den Groß­de­mons­tra­tio­nen nahmen im Sommer bis zu 80.000 Menschen teil und sie kamen aus allen Schich­ten. Zwar waren auch zahl­rei­che gewalt­su­chende Auto­nome darun­ter, doch in der dama­li­gen Haus­be­set­zer­be­we­gung waren sie ein klei­ner Teil.

Weiz­sä­cker und Lummer störte das nicht, sie kündig­ten sieges­si­cher schon einige Tage vorher die Räumung von acht ausge­wähl­ten Häusern an. In diesen Gebäu­den lebten Studen­ten, Schü­ler, Musi­ker, keine Krawall­su­chen­den oder Auto­no­men. Am Morgen des 22. Septem­ber 1981 versam­mel­ten sich vor und in den Häusern jeweils mehrere hundert Menschen zum Schutz, Uni-Semi­nare wurden in Häuser verlegt, um den harm­lo­sen Charak­ter und die Soli­da­ri­tät zu demons­trie­ren. Doch es half alles nicht. Die Poli­zei setzte massiv Tränen­gas, Knüp­pel und Wasser­wer­fer ein, die Häuser wurden mit Baggern gestürmt, an die Ramm­bö­cke aus Stahl geschweißt waren.

Obwohl es in den Häusern keine aktive Gegen­wehr gab, rastete die Poli­zei aus, auch aufge­sta­chelt dadurch, dass sich Lummer auf dem Balkon eines der Häuser in Napo­le­on­ma­nier zeigte und dort eine impro­vi­sierte Pres­se­kon­fe­renz hielt. Sie prügelte eine Gruppe von Demons­tran­ten, die sich auf der Bülow­straße befand, mitten in den Verkehr der Pots­da­mer Straße. Dabei wurde der 18-jährige Klaus-Jürgen Rattay vor einen fahren­den BVG-Bus getrie­ben. Er verschwand sofort unter einem der Vorder­rei­fen und wurde noch einige Meter mitge­schleift. Klaus-Jürgen Rattay war sofort tot. In den kommen­den Minu­ten und Stun­den wurden in die Blut­la­che immer wieder Blumen hinein­ge­legt, am Bord­stein entstand eine kleine Mahn­wa­che. Doch die Stie­fel der Poli­zei tram­pelte es immer nieder, es durfte kein Geden­ken geben.

Der dama­lige Poli­zei­prä­si­dent Klaus Hübner behaup­tete später, Rattay sei „in einen Auto­bus gerannt“. Kein Wort davon, dass es seine Poli­zis­ten waren, die ihn dort hinge­prü­gelt haben und die an diesem Tag teil­weise zwei, drei Minu­ten lang mit Knüp­peln auf Menschen einschlu­gen, die längst wehr­los am Boden lagen. Sie haben den Tod von Klaus-Jürgen Rattay verur­sacht. Frei nach der Parole, die ihr obers­ter Dienst­herr wenige Minu­ten vorher bei der Pres­se­kon­fe­renz ausge­ge­ben hatte: „Wenn schon, denn schon, in einem Aufwasch ist das am besten erle­digt.“

Noch heute sind die damals Betei­lig­ten nicht frei von Emotio­nen. Viele hat der dama­lige Tag an eine Poli­zei­dik­ta­tur erin­nert, ehema­lige Wider­stands­kämp­fer gegen die Nazis waren scho­ckiert, was sie dort erle­ben muss­ten. Der Tag hat die Macht des Staa­tes gegen die Bevöl­ke­rung mit aller Gewalt demons­triert und bewie­sen, dass so etwas nicht nur in auslän­di­schen Dikta­tu­ren möglich ist.

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1 Kommentar

  1. Schon rund 20 Jahre früher gibt es etwas, das man ihm vorge­wor­fen hat, was aber auch gut abge­perlt ist.
    Wiki schreibt: “Mit großer Betrof­fen­heit“ habe er erst Jahre nach seiner Tätig­keit bei Boeh­rin­ger von Agent Orange erfah­ren, sagte von Weizsäcker[16] – eine Aussage, die auch ange­zwei­felt wurde.
    https://www.youtube.com/watch?v=3r_YqXaSimg
    http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Vietnam/50jahre-us-krieg.html

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