Die Erfindung des Fernsehens in Berlin

Als am 22. März 1935 im Haus des Rund­funks in der Masu­ren­al­lee die welt­weit erste regel­mä­ßige Fern­seh­aus­strah­lung begann, war dies der Anfang eines Sieges­zugs. Der “Reichs­sen­de­lei­ter” war dem NS-Propa­ganda-Minis­te­rium unter­stellt und ließ den Erfin­der Paul Nipkow feiern. So wurde der erste Sender sogar nach ihm benannt. Schon als junger Mann hatte der Pankower Inge­nieur 1884 seine “Nipkow-Scheibe” vorge­stellt, die Bilder zeilen­weise abtas­ten und in elek­tri­sche Impulse umwan­deln konnte. Diese konn­ten über­tra­gen und an ande­rer Stelle wieder zusam­men­ge­setzt werden. Doch erst 1928 konnte das Ergeb­nis — ein Fern­seh­bild von der Größe einer Post­karte — auf der Funk­aus­stel­lung öffent­lich vorge­stellt werden. Test­sen­dun­gen wurden ab 1926 über den neu errich­te­ten Funk­turm ausge­strahlt.

Als 1935 mit regel­mä­ßi­gem Sende­be­trieb begon­nen wurde, war natür­lich noch alles live, eine Aufzeich­nungs­mög­lich­keit gab es nicht. Gesen­det wurde drei­mal wöchent­lich für je 90 Minu­ten. Es gab auch noch keine Fern­seh­in­dus­trie, die weni­gen Geräte wurden in Hand­ar­beit herge­stellt. Und sie stan­den nicht in Wohnun­gen, sondern fast nur in öffent­li­chen “Fern­seh­stu­ben”. Die erste wurde in der Berli­ner Straße in Pankow eröff­net und zog kurz danach in die Wollank­straße 134, das Haus steht noch heute. Nach 15 Mona­ten Sende­be­trieb gab es in Berlin gerade 25 dieser Vorführ­räume. Aller­dings kamen die Menschen auch eher zum Bestau­nen der neuen Tech­nik, als wegen des Programms, denn man brauchte schon sehr gute Augen oder ein Fern­glas, um aus eini­gen Metern Abstand noch etwas erken­nen zu können. Das Kino war in der Sehqua­li­tät noch weit über­le­gen.

Schon bald wuchs eine starke Konkur­renz heran. Manfred von Ardenne und Sieg­fried Loewe entwi­ckel­ten die Tech­no­lo­gie der Braun­sche Röhre, die Bilder wurden nun elek­tro­nisch abge­tas­tet und umge­wan­delt. Schon ein Jahr nach Nipkows großem Erfolg kam bei den Olym­pi­schen Spie­len 1936 die neue Tech­no­lo­gie zum Einsatz. Zwar waren die Kame­ras noch so groß wie zwei Kühl­schränke, doch sie waren eine tech­ni­sche Sensa­tion. Paul Nipkows Erfin­dung war nur ein Wegbe­rei­ter für die rasche Weiter­ent­wick­lung des Fern­se­hens. Dass die Nazis ihn feier­ten, gleich­zei­tig aber die elek­tro­ni­sche Tech­no­lo­gie seiner Konkur­ren­ten nutz­ten, lag an Sieg­fried Loewes jüdi­scher Herkunft. Paul Nipkow dage­gen erhielt nach seinem Tod 1940 sogar ein Staats­be­gräb­nis.

Über­haupt nutze die NS-Regie­rung die Tech­nik natür­lich für sich. Aller­dings hatte sie nicht nur die Unter­hal­tung und Propa­ganda im Sinn, sondern sie wollte sie mili­tä­risch nutzen: Mit klei­nen Kame­ras wurden im Krieg z.B. die V2-Rake­ten ins Ziel gelenkt. So ist es auch zu erklä­ren, dass nicht nur das Propa­gan­da­mi­nis­te­rium, sondern gleich­zei­tig das Minis­te­rium für Luft­fahrt von Hermann Göring für die ersten Fern­seh­sen­der zustän­dig waren.

Während des Kriegs wurden die öffent­li­chen Auffüh­run­gen nicht mehr weiter geför­dert. Die Post betrieb zwar auch weiter­hin etwa 50 Fern­seh­stu­ben, doch Joseph Goeb­bels setzte mehr auf den Rund­funk und die Wochen­schauen, weil sie zu diesem Zeit­punkt viel mehr Menschen errei­chen konn­ten.

Mit dem Ende des NS-Staats wurde der Fern­seh­be­trieb von den Alli­ier­ten verbo­ten, erst 1947 durfte die Post wieder Tests durch­füh­ren. Doch es dauerte noch bis zum Herbst 1950, dass der erste Sende­be­trieb aufge­nom­men werden konnte. Zuerst in Hamburg mit dem NWDR, ab 1951 auch wieder in Berlin. Vier Jahre später erst konnte das Fern­se­hen bundes­weit empfan­gen werden.

Mit der Erfin­dung von Paul Nipkow hatte das TV längst nichts mehr zu tun, sein Name war auch lange in Verges­sen­heit gera­ten. Doch mitt­ler­weile erin­nert man sich wieder an denje­ni­gen, der das Prin­zip der Bild­ab­tas­tung und Umwand­lung in Einzel­punk­ten erfun­den hat. Und der das erste Fern­se­hen der Welt reali­siert hat.

Foto: Wolf­gang Sauber
CC BY-SA 3.0

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