Obdachlose unerwünscht

In Berlin gibt es geschätzt 9.000 Obdach­lose. Für nur etwa 10 Prozent von ihnen gibt es Plätze in Notüber­nach­tungs­hei­men, die ande­ren müssen drau­ßen schla­fen oder wenn sie Glück haben auf U‑Bahnhöfen.

Am Bahn­hof Zoo exis­tiert die Bahn­hofs­mis­sion, bei der täglich rund 700 Menschen etwas zum Essen und Trin­ken bekom­men, manch­mal auch Klei­dung oder einen Schlaf­sack. Nur an wenig ande­ren Orten kümmert man sich um diese Ärms­ten der Gesell­schaft. Man sollte denken, dass es Insti­tu­tio­nen gibt, denen sozia­les Denken es gebie­tet, Hilfe zu leis­ten. “Wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott”, steht in der Bibel. Das schei­nen Teile der Kirche jedoch nur als unver­bind­li­che Empfeh­lung anzu­se­hen. Anders ist es nicht zu erklä­ren, dass die Pfar­re­rin der Gedächt­nis­kir­che im vergan­ge­nen Jahr dafür gesorgt hat, dass Obdach­lose sich dort nicht mehr aufhal­ten dürfen. Auch die wöchent­li­che Essens­aus­gabe der Arche für arme Menschen musste einge­stellt werden.

Wenn man eine Kirche an so expo­nier­ter Stelle leitet, will man offen­bar lieber Touris­ten oder die Kanz­le­rin in die eige­nen Räume locken, schmut­zige und abge­ris­sene Menschen stören da nur. Es ist uner­hört, wie kalt­her­zig die Armen­spei­sung von 150 Menschen einmal in der Woche verhin­dert wird. Dabei rühmt sich die Kirche auf Ihrer Website: “…melden sich gegen­wär­tig täglich durch­schnitt­lich 150 Arbeits­lose bei uns, denen wir leib­lich und geist­lich helfen möch­ten”. Aller­dings bezieht sich der Text auf das Jahr 1914.

Und diese Kirchen­frau ist nicht die Einzige, die die Verpfle­gung von Armen verhin­dert. Auch auf dem Park­platz am Hansa­platz gab es immer am Sonn­tag warmes Essen für Obdach­lose. Seit Januar ist dies nun verbo­ten. Der Super­markt Rewe, dem der Platz gehört, hat dem Verein Berli­ner Obdach­lo­sen­hilfe die Essens­aus­gabe unter­sagt. Begrün­dung: An verkaufs­of­fe­nen Sonn­ta­gen bräuchte man den Platz selber. Das Verbot gilt jedoch nicht nur für diese sechs Sonn­tage im Jahr, sondern gene­rell.

Es wird vermu­tet, dass hinter diesem Verbot der SPD-Abge­ord­nete Thomas Isen­berg steckt. Er hatte ange­kün­digt, alle Maßnah­men zu ergrei­fen, um die Essens­aus­gabe dort zu unter­bin­den. Schon seit dem Sommer hetzt er gegen Obdach­lose, die sich am Rand des Hansa­plat­zes aufhal­ten. In zwei Veran­stal­tun­gen ermun­terte er dazu, dass sich die Bürger über die Wohnungs­lo­sen beschwe­ren sollen. Und er ging noch weiter: Die Läden am Hansa­platz rief er dazu auf, Wohnungs­lo­sen nichts mehr verkau­fen und ihnen keine Pfand­fla­schen mehr abneh­men. Lobend erwähnte er einen Döner­la­den, in dem Obdach­lose nicht mehr bedient würden.

Neben zwei ande­ren war bisher auch der U‑Bahnhof Hansa­platz im Winter immer nachts geöff­net, damit Wohnungs­lose dort über­nach­ten konn­ten und nicht drau­ßen erfrie­ren. Seit diesem Winter ist er gesperrt, am Abend werden die Leute raus­ge­wor­fen. Warum die BVG den Bahn­hof für Obdach­lose sperrt, ist unklar, aber ein Zufall ist das sicher nicht.

Nun erwar­tet man von Sozi­al­de­mo­kra­ten spätes­tens seit der Agenda 2010 nicht mehr, dass sie sich wirk­lich für sozial Schwa­che einset­zen. Isen­bergs Parole „Sicher­heit, Ordnung und Sauber­keit im Kiez!“ bedeu­tet eben nicht „Gerech­tig­keit, Soli­da­ri­tät und Hilfe für Arme im Kiez“. Dass aber ein Abge­ord­ne­ter der SPD so offen Obdach­lose diskri­mi­niert, ist ein Skan­dal.

Es ist einfach nur wider­lich, wie sich die Pfar­re­rin  oder der Abge­ord­nete  verhal­ten. Sie bekämp­fen dieje­ni­gen, die am wenigs­ten Kraft haben, sich zu wehren und die schon ganz unten ange­kom­men sind. Eine Kirche und eine Partei, die solch ein Verhal­ten in ihren Reihen akzep­tie­ren, kann man wohl kaum noch als sozial bezeich­nen.

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In Berlin gibt es die S‑Bahn, die U‑Bahn und Stra­ßen­bah­nen. Die Berli­ner S‑Bahn (S von „Stadt­bahn“) sieht unver­wech­sel­bar aus wie die Berli­ner S‑Bahn. Die Berli­ner U‑Bahn sieht aus wie die U‑Bahnen in Metro­po­len wie London […]

5 Kommentare

  1. Hallo lieber Aro,

    ich hatte ja auch schon so meiner Erfah­run­gen mit der besag­ten Kirche gemacht. Ein Skan­dal! Aber dass der “Herr Isen­berg” und “REWE” in die selbe Kerbe schla­gen, wusste ich noch nicht. Danke für deine Info. Ich werde ab sofort nicht mehr zu REWE gehen. Da macht es auch Sinn, dass er den Laden von Kim gemie­tet hat. Kim war unsere viet­na­me­si­sche Nähe­rin, die dort nach 10 Jahren mit der Verdop­pe­lung der Miete verdrängt worden ist. Mir war schon klar, dass der Nach­fol­ger nicht gerade SOZIAL tätig sein würde. Aber dass es nun gerade die SPD ist ist wirk­lich der nächste Skan­dal. Deswe­gen beleuch­tet er auch den Vorplatz seines Ladens so stark!

    Natür­lich sind die Anwoh­ner vom Zustand des klei­nen Einkaufs­vier­tels und der Umge­bung hier genervt. Der Hansa­platz ist tradi­tio­nell ein Treff­punkt für Verlie­rer des Systems und seit langem deutsch­land­weit als erste Anlauf­stelle bekannt. Dass aber unser Senat keine andere Lösung parat hat als diese Menschen zu verdrän­gen ist der wirk­lich Skan­dal. Dazu hat Sibylle Berg gerade einen wunder­ba­ren Arti­kel geschrie­ben:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/mitgefuehl-und-gier-wir-zombies-des-kapitalismus-kolumne-a-1128768.html

    Ja, weder die Kirche noch Poli­ti­ker und schon gar nicht die abge­stumpf­tem Bürger, sind an einer Hilfe für die Schwächs­ten inter­es­siert. Sie stören in der Tat das schöne, spie­ßige Bild — auch hier am guten alten Hansa­platz. Hier hätten wir lieber Bubi Scholz, Butter Lind­ner und Hussel zurück. Und die 60‘Jahre gleich dazu.

    Ja, ich beob­achte immer mehr, wie sehr die Zahl der Obdach­lo­sen stark ansteigt und die Verdrän­gung dieser Tatsa­che im glei­chen Maß. Fast unter jeder Brücke wird unter­des­sen gewohnt. Mal sehen was uns noch so blüht und unsere Mieten unbe­zahl­bar werden.

    Wuss­test du, dass das Hansa­vier­tel der erste Bezirk von Berlin war, der “Juden­frei” gemel­det hat? Bestimmt.

  2. Moin, moin,
    diese geschil­derte Poli­tik des Abdrän­gens und Aussper­rens ist leider ja eine Umset­zung der Erwar­tung vieler Bürge­rin­nen und Bürger. Klar, dass da ein gewähl­ter Abge­ord­ne­ter den Auftrag annimmt und umsetzt. Er will ja wieder gewählt werden.
    Es ist leider ein sehr trau­ri­ges Bild, dass bei uns Menschen, die eigent­lich Hilfe benö­ti­gen, als Bedro­hung oder Beläs­ti­gung empfun­den werden. Das zeigt sich ja auch bei der Flücht­lings­si­tua­tion.
    Aus meiner Arbeit mit diesem Klien­tel ist aller­dings auch fest­zu­stel­len, dass es da genauso viele Stink­stie­fel­gibt, wie arme Willys. Die Stink­stie­fel, die aggres­siv betteln oder voll­ge­pisst in U Bahnen liegen, empfinde auch ich als unan­ge­nehm, wenn ich in Berlin bin.
    Die Poli­tik der Verdrän­gung löst nun aber leider keine Probleme, die Menschen sind ja nun mal da und werden sich irgendwo aufhal­ten müssen.
    Im Winter gab es doch gerade in Berlin offene Bahn­höfe, in denen sich Obdach­lose vor der Kälte in Sicher­heit brin­gen konn­ten.
    Ich kann übri­gens auch damit leben, wenn “Kirchens” sagt, hier bitte nicht, dafür aber an einer ande­ren Kirche. Wenn also nicht an der Gedächt­nis Kirche, dann aber um die Ecke bei einer ande­ren Gemeinde, so wäre es rich­tig.
    Gruß Frank

  3. Manno­me­ter. Gerade habe ich einige Kommen­tare beim Tages­spie­gel gele­sen. Ich musste dies jedoch been­den, weil mit dabei übel wurde. So viel Herz­lo­sig­keit und Reak­tio­nis­mus habe ich lange nicht lesen müssen. Was ist eigent­licgh aus der Armen­spei­sung der gegen­über liegen­den Kirche gewor­den? Früher hatte ich dort öfters mitge­hol­fen zu kochen. Da kamen immer so 150 Menschen zu Essen.

  4. Tja. Einfach den Pass wegwer­fen und alle haben dich lieb. Beson­ders die Teddy­wer­fer von SPD und Rot/ Grün. Mich kotzt dieser Mist derma­ßen an… Ich verstehe nicht warum die Kohle und auch die Manpower nicht auf alle ange­wen­det wird die es benö­ti­gen. .…

  5. @SteffKo
    Man kann Dir nur wünschen, dass Du selber mal in eine solche Situa­tion kommst und dir jeder nur seinen Arsch zeigt, statt zu helfen.

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