Der Tiergarten zwischen Krieg und heute

In seiner fast 500-jähri­gen Geschichte hat der Tier­gar­ten einige Ände­run­gen und Wand­lun­gen erfah­ren. Eine der drama­tischs­ten war seine fast völlige Zerstö­rung in den 1940er Jahren. Noch am Anfang des Jahr­zehnts präsen­tierte er sich als zentra­ler Erho­lungs­park, aller­dings damals schon nicht mehr in der Form, wie ihn Peter Josef Lenné im 19. Jahr­hun­dert geschaf­fen hatte, denn die Nazis hatten 1936 mit schwe­ren Eingrif­fen in die histo­ri­sche Gestal­tung begon­nen. Der Baum­be­stand des Tier­gar­tens war bis dahin eng verbun­den mit der Rand­be­bau­ung, vor allem am Alsen­vier­tel (heute Kanz­ler­amt und Schwei­zer Botschaft) sowie dem Vikto­ria­vier­tel (Kemper­platz, heute Phil­har­mo­nie und Sony-Center).
Der Planung der Haupt­stadt Germa­nia wurde auch ein Teil des Tier­gar­tens geop­fert, die bishe­rige Sieges­al­lee mit den zahl­rei­chen Denk­mä­lern sollte zur Triumph­straße ausge­baut werden, die zur “Großen Halle des Volkes” im Spree­bo­gen führ­ten sollte. Die Statuen wurden abge­baut und an der “Großen Stern­al­lee” neu errich­tet, die (heute als Spazier­weg) vom Großen Stern zur Tier­gar­ten­straße an der Hilde­brand­straße führt. Die Denk­mä­ler von Bismarck, Roon und ande­ren kamen direkt an den Großen Stern, hier­her wurde auch die Sieges­säule versetzt, die zuvor noch vor dem Reichs­tag stand. Im Rahmen dieser Umbau­ten verbrei­terte man die Char­lot­ten­bur­ger Chaus­see (heute Straße des 17. Juni), vor allem rund um den Großen Stern wurde ein Teil des Parks abge­holzt.

Da der Tier­gar­ten direkt an das Regie­rungs­vier­tel mit der Neuen Reichs­kanz­lei grenzte, wurden bei vielen Luft­an­grif­fen auch Teile der Bepflan­zung, der Wege und der Denk­mä­ler zerbombt. Die Gegend rund um den Park gehörte nach dem Krieg zu den am stärks­ten beschä­dig­ten Stadt­tei­len Berlins.
Schlim­mer jedoch war die Zerstö­rung, die im eisi­gen Winter 1948/49 über den Tier­gar­ten kam. Zehn­tau­sende Berli­ner zogen in den Park, um Brenn­holz für ihre Öfen zu schla­gen. Inner­halb weni­ger Monate waren von den etwa 200.000 Bäumen nur noch 700 übrig. Aller­dings war der Boden noch frucht­bar, so dass die prag­ma­ti­schen Berli­ner den Park nun land­wirt­schaft­lich nutz­ten. Auf insge­samt 2.500 Parzel­len wurden Kartof­fel- und Gemü­se­fel­der ange­legt, um damit wenigs­tens den schlimms­ten Hunger bekämp­fen zu können.
Ein etwa sechs Hektar großer Teil des Tier­gar­tens war bereits im Sommer 1945 von den Sowjets beschlag­nahmt und für ein neues Ehren­mal sowie einen Fried­hof für 2.500 russi­sche Solda­ten genutzt worden.

Im März 1949 begann der Neuauf­bau des Tier­gar­tens, der Regie­rende Bürger­meis­ter Ernst Reuter pflanzte dafür an der Hofjä­ger­al­lee eine Linde. Es sollte zwölf Jahre dauern, bis der Park in seinem komplet­ten Ausma­ßen wieder bepflanzt war. Neu dazu gekom­men war ein Teil des ehema­li­gen Schloss­parks Belle­vue, 200 Meter weiter entstand 1951 außer­dem der Engli­sche Garten mit dem “Park­haus”, in dem eine Gast­stätte einge­rich­tet wurde.
Zu dieser Zeit hatte der Tier­gar­ten kaum noch etwas von seiner ursprüng­li­chen Struk­tur. Nicht nur der Engli­sche Garten war neu, auch in ande­ren Teilen wurden Wege neu gezo­gen. Erst spät besann man sich und versuchte, die Garten­ar­chi­tek­tur Lennés stück­weise wieder herzu­stel­len. Aller­dings kam dem Tier­gar­ten als Naherho­lungs­ge­biet nach dem Mauer­bau eine wesent­lich höhere Bedeu­tung zu als vorher, da die West-Berli­ner nun nicht mehr nach Bran­den­burg fahren konn­ten. Der Tier­gar­ten war bald über­lau­fen, neben Erho­lungs­su­chen­den gab es auch immer mehr Sport­trei­bende, die die großen Rasen­flä­chen nutz­ten und dem Park damit zusetz­ten. Viele der Büsche wurden zerstört, Wiesen­flä­chen wurden zu Sand­bö­den. Im Zuge der 750-Jahr-Feier Berlins 1987 beschloss der Senat, den Tier­gar­ten zu sanie­ren. Die garten­künst­le­ri­sche Indi­vi­dua­li­tät des Parks sollte wieder herge­stellt werden, der hohen ökolo­gi­schen Bedeu­tung sollte Rech­nung getra­gen werden, die Über­be­an­spru­chung wollte man stop­pen. Für Sport­trei­bende soll­ten an den Rändern oder der nahen Umge­bung neue Stät­ten entste­hen, um den Tier­gar­ten für Erho­lungs­su­chende zu reser­vie­ren, die weni­ger Schä­den an der Flora anrich­te­ten. Schritt­weise wurde der Park unter denk­mal­pfle­ge­ri­schen Gesichts­punk­ten saniert, z.B. mit der Wieder­her­stel­lung der Rous­seau- und der Luisen­in­sel, des Groß­fürs­ten­plat­zes sowie des Gebiets rund um die dama­lige Entlas­tungs­straße.

Die Wieder­her­stel­lung ist mitt­ler­weile abge­schlos­sen, mit der Eröff­nung des Tier­gar­ten­stun­nels im Jahr 2006 wurde auch die alte Entlas­tungs­straße, die etwa auf der Stre­cke der frühe­ren Sieges­al­lee verlief, dem Park zurück­ge­ge­ben. Zwar gab es durch Groß­ver­an­stal­tun­gen (vor allem der Love Parade) immer wieder mal parzi­elle Beschä­di­gun­gen des Parks, insge­samt jedoch ist der Tier­gar­ten heute in einem recht guten und optisch anspre­chen­dem Zustand. Ein Groß­teil der von Lenné ange­leg­ten Wege und Plätze sind wieder vorhan­den, die Teiche erfreuen sich bei Mensch und Tier großer Beliebt­heit. Der Tier­gar­ten hat seine schwerste Zeit gut über­stan­den.

Viele Infor­ma­tio­nen zum Tier­gar­ten hier: DerTiergarten.de

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3 Kommentare

  1. Vor kurzem hatte ich Besuch von einem Hobby-Golfer aus Süddeutsch­land. Als wir uns den Tier­gar­ten von oben betrach­te­ten, meinte er, daraus könne man doch einen sehr schö­nen Golf­platz machen. War aber wohl doch nicht so ganz ernst gemeint.
    Und schwe­ren Zeiten hat der Tier­gar­ten ja jeden Sommer von Neuem: Mit dem Beginn der Grill­sai­son!

  2. Manch­mal, früh morgens oder bei schelch­tem Wetter, sieht man auch mal ein paar Cross­gol­fer im Tier­gar­ten :-)

    Aber was das Gril­len betrifft, das ist ja zum Glück nur im nörd­li­chen Teil so, gegen­über vom Schloss B.

  3. Okeii, Du meinst also zwischen Straße des 17. Juni und John-Foster-Dulles-Allee? Ich war in Berlin noch nie gril­len.
    Apro­pos 17. Juni…Da war doch 1953 irgend­was. ;-)

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