Der größte Schlag

Blick auf die Ritterstraße in Kreuzberg in den 1960er Jahren.

„Ich kann mich erin­nern, dass mich meine Mutter auf ihrem Arm durch die Stra­ßen trug, über­all war Feuer.“
Dies erzählte mir meine Mutter, die am Ende des Zwei­ten Welt­kriegs 4 Jahre alt war. Sie lebte in Kreuz­berg, das am 3. Februar 1945 Schwer­punkt der alli­ier­ten Luft­an­griffe war. An diesem Tag gab es den größ­ten Angriff der ameri­ka­ni­schen Luft­waffe auf Berlin. Ausge­hend von der Kaserne am heuti­gen Fritz-Schloß-Park in Moabit, die aus der Luft gut zu erken­nen war, zog sich ein ca. 1 Kilo­me­ter brei­ter Strei­fen von Bombern durch Mitte nach Kreuz­berg. Ziel war der Moritz­platz. Dazwi­schen blieb kaum ein Haus verschont, ganze Blöcke und Stra­ßen­züge wurden völlig zerstört.
1.000 Bomber und 600 Jagd­flie­ger der United States Army Air Forces (USAAF) warfen während dieser „Aktion Donner­schlag“ mindes­tens 2.400 Tonnen Bomben ab.
An diesem Vormit­tag star­ben inner­halb von nur zwei Stun­den nach Schät­zun­gen des US-Mili­tärs rund 20.000 Menschen. Allein im Keller­raum einer Kirchen­ge­meinde kamen 50 Kinder beim Einsturz des Hauses ums Leben. Unter den Opfern waren viele Häft­linge und Zwangs­ar­bei­ter, denen der Schutz durch Luft­schutz­ein­rich­tun­gen gene­rell verwehrt war.

Um sich die Wucht dieser Vernich­tung vorzu­stel­len, muss man sich klar­ma­chen, dass an diesem Tag über 3.000 Häuser mit mehre­ren zehn­tau­send Wohnun­gen zerstört wurden, 120.000 Menschen wurden obdach­los.
Die drei schwers­ten Groß­an­griffe auf die Stadt flogen die USAAF am 3. und 26. Februar sowie am 18. März 1945. Doch der am 3. Februar war der mit den meis­ten Opfern.

Wer heute z.B. die west­li­che Orani­en­straße entlang geht, findet hunderte Meter rechts und links so gut wie keine Altbau­ten mehr. Nur wenige Gebäude blie­ben stehen und wurden nach dem Krieg wieder­her­ge­stellt, wie die Jacobi-Kirche oder ein Teil der Bundes­dru­cke­rei.

Seit den 1950er Jahren entstan­den hier neue Wohn­vier­tel, teil­weise mit geän­der­tem Stra­ßen­grund­riss. Beider­sei­tig der Mauer wurden Plat­ten­bau­ten mit Fahr­stuhl, Warm­was­ser und Müll­schlu­cker errich­tet, statt engen Miets­ka­ser­nen gab es nun Licht, Luft und Sonne.
Nichts erin­nert mehr an die Schre­cken des Kriegs, an Tote in den Stra­ßen, an die schwar­zen Ruinen mit ihren leeren Fens­ter­höh­len.

Ich selber bin in diesem Teil Kreuz­bergs aufge­wach­sen. Beim Spie­len auf einem Trüm­mer­grund­stück haben wir Knochen gefun­den, ein ande­res Mal senkte sich das Dach einer Ruine, auf dem wir gerade spiel­ten. Der Krieg war auch in den 1970er Jahren noch an vielen Stel­len zu erah­nen, auch wenn er uns damals nicht inter­es­siert hat. Wir nutz­ten aber die vielen Frei­flä­chen, auf denen wir spie­len konn­ten. Dass diese Orte Jahre zuvor für viele Menschen die Hölle waren, ahnten wir nicht.

Am 3. Februar 1945 war nicht nur der größte Luft­an­griff mit den meis­ten Opfern in Berlin, sondern es war auch das Ende einer Illu­sion: Spätes­tens an diesem Tag war auch den Letz­ten – oder zumin­dest den Vorletz­ten – klar, dass der Krieg nicht mehr zu gewin­nen war. Trotz­dem dauerte es noch­mal drei Monate, bis die Sowjet­ar­mee Berlin einge­nom­men hatte und damit die Kämpfe been­det waren.

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