Heinrich von Stephan

Lebens­da­ten: * 7.1.1831 (Stolp/Pommern) + 8.4.1897 (Berlin)
Infor­ma­tio­nen zur Person:
Orga­ni­sa­tor des Post­we­sens
1870 Gene­ral­post­di­rek­tor des Nord­deut­schen Bundes
1876 Gene­ral­post­meis­ter
1880 Staats­se­kre­tär des Reichs­post­am­tes
1895 Preu­ßi­scher Staats­mi­nis­ter

„Außer bei den Beiset­zun­gen von Mitglie­dern des Herr­scher­hau­ses hat sich wohl nie in Berlin die Bevöl­ke­rung so zahl­reich an einer Leichen­feier betei­ligt. Der Trau­er­zug bewegte sich durch die Leipziger‑, Wilhelm- und Belle­al­li­ance­straße nach dem Fried­hofe der Drei­fal­tig­keits­kir­che in der Baru­ther Straße. Wohl nie zuvor sind einem Manne, dessen Wiege im Hause eines Hand­wer­kers stand, bei seinem Tode solche Ehrun­gen erwie­sen worden wie Stephan.“

Kaum hatte Bismarck 1870 den damals erst 39-jähri­gen Hein­rich Stephan zum Ober­post­rat des Nord­deut­schen Bundes vorge­schla­gen, erfand dieser die Post­karte und verän­derte damit schlag­ar­tig die Formen der Kommu­ni­ka­tion. Erst­mals wurde bei der Versen­dung persön­li­cher Mittei­lun­gen Zeit gespart. Eine Post­karte recht­fer­tigte eine knappe, auf das Wesent­li­che beschränkte Schreib­weise ohne die schwer­fäl­li­gen Rede­wen­dun­gen und Flos­keln des Brie­fe­schrei­bens, die die einen glau­ben ließen, sich in lite­ra­ri­sche Höhen aufschwin­gen zu müssen, und den ande­ren eine Barriere waren, vor der sie kapi­tu­lier­ten. Die Verein­fa­chung durch die Post­karte sollte dazu führen, dass der Post­ver­kehr sich erheb­lich stei­gerte. Bei der Durch­set­zung der Post­karte zum popu­lä­ren Massen­kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel war übri­gens der deutsch-fran­zö­si­sche Krieg in jenem Jahre sehr hilf­reich, denn zunächst wurde sie als Feld­post­karte als beson­ders prak­ti­ka­bel erfah­ren.

Dass Bismarck über­haupt auf den jungen Mann kam, als es galt, die verant­wor­tungs­volle Stelle neu zu beset­zen, lag an einer für das Post­we­sen ebenso wich­ti­gen Erneue­rung, die Hein­rich Stephan einige Jahre zuvor durch­ge­setzt hatte, nämlich ein in ganz Deutsch­land einheit­li­ches Porto. In den 60er Jahren des neun­zehn­ten Jahr­hun­derts war Deutsch­land noch immer in sage und schreibe 17 Post­ge­biete aufge­teilt. Da wurde die Frage, was ein Brief von Baden nach Meck­len­burg kostet, schon zu einer kompli­zier­ten Rechen­auf­gabe. Viele Post­be­triebe waren damals in priva­ter Hand, der berühm­teste gehörte dem in Regens­burg ansäs­si­gen Fürs­ten von Thurn und Taxis. Auch hier hat Stephan das System verein­facht und der Post damit einen spür­ba­ren Wachs­tums­schub verpasst.

Wobei das einheit­li­che Porto nur der erste Schritt zur Deut­schen Reichs­post war. Manches von dem, was sich da vor 150 Jahren mit entschei­den­der Hilfe Stephans Bahn brach, erin­nert an heutige Stra­te­gien und Entwick­lun­gen im Bereich des Trans­port­we­sens und der Tele­kom­mu­ni­ka­tion. Nur dass es heute um eine Globa­li­sie­rung geht, während damals die Natio­na­li­sie­rung anstand. Die Idee zu einer Welt­post hatte Stephan, als er die Schran­ken der Klein­staa­te­rei über­wun­den hatte, auch schon im Kopf. Der Mann hat eben weiter­ge­dacht und mit ande­ren Ländern einen Welt­post­ver­ein gegrün­det.

Und noch eine von Stephan getrof­fene Maßnahme erin­nert an heute. Während vor eini­gen Jahren die Brief- und Paket­post von dem Tele­fon­sek­tor getrennt wurde, weil nicht länger einzu­se­hen war, dass die Verluste der erste­ren mit den Gewin­nen der zwei­te­ren ausge­gli­chen und die Weiter­ent­wick­lung beider Systeme damit verhin­dert werden, verei­nigte Stephan Post und Tele­gra­phie, um die Über­schüsse der Post mit den Verlus­ten der Tele­gra­phie auszu­glei­chen und der neue­ren Tech­nik Entwick­lungs­mög­lich­kei­ten zu verschaf­fen.

Dass die Erde zusam­men­wächst, hat wesent­lich mit der Nach­rich­ten­über­mitt­lung aus der und in die Ferne zu tun, und die Geschwin­dig­keit, mit der sie sich verän­dert mit allen tech­ni­schen Weiter­ent­wick­lun­gen auf diesem Sektor. Die Instru­mente, derer sich Hein­rich von Stephan seiner­zeit bediente, haben längst ihren Platz im Museum gefun­den. Und zwar in dem Museum, das er selbst gegrün­det hat, 1872, in der Leip­zi­ger Straße, zunächst nur zur Schu­lung der Post­be­am­ten. Erst drei Jahre später wurde es an zwei Tagen pro Woche für das Publi­kum geöff­net. 1893 wurde mit einem impo­san­ten Neubau für das inzwi­schen Reichs­post­mu­seum genannte Insti­tut an der Ecke Leip­zi­ger Straße / Mauer­straße nach den Vorstel­lun­gen Hein­rich von Stephans begon­nen. Die Eröff­nung nach fünf Jahren Bauzeit hat er nicht mehr erlebt, ein Jahr zuvor ist er an einer Zucker­krank­heit gestor­ben. Es ist das Haus mit dem die Welt­ku­gel tragen­den Riesen Atlas auf dem Giebel, seit dem Jahr 2000 heißt es Museum für Kommu­ni­ka­tion.
Es ist nicht das einzige Gebäude, das Hein­rich von Stephan erdacht hat. Er wollte die Post ebenso reprä­sen­ta­tiv in den Städ­ten plat­zie­ren, wie es für die großen Unter­neh­men schon selbst­ver­ständ­lich war.

Dass jemand aus soge­nann­tem klei­nen Hause eine derar­tige Karriere gelingt – der Adels­ti­tel wurde ihm erst aufgrund seiner Leis­tun­gen verlie­hen – war im neun­zehn­ten Jahr­hun­dert die große Ausnahme und setzt einen unge­heu­ren Ehrgeiz voraus. Mit 17 Jahren begann er in Stolp in Pommern seine Lehre bei der Post. Damals hatte er schon spanisch, italie­nisch, fran­zö­sisch, englisch und russisch gelernt. Auf die Ermah­nung, ein tüch­ti­ger Beam­ter zu werden, soll er geant­wor­tet haben: „Ja, ein schlech­ter Kerl, der nicht denkt, Gene­ral­post­meis­ter zu werden.“ Der Mann wusste, was er wollte.
Und das nötige Selbst­be­wusst­sein brachte er auch mit: „Wer das Glück hat, wenn er auf die Welt kommt, in pommer­sche Leine­wand gewi­ckelt zu werden, der wird gerade.“

Burk­hard Meise

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