Eigentlich vertragen sich Liebe und Trägheit nicht. Wer sich liebt, ist aktiv, unternimmt etwas, natürlich oft unterbrochen von Küssereien und so ’nem Kram. Sie saßen beide auf dem Rasen neben dem Edel-Hotel Ritz Carlton. Den hat ein Künstler entworfen, schätze ich, denn es ist kein normaler Rasen. Er verläuft schräg, wird unterbrochen durch einen Weg und gibt Menschen wie ihnen eine Unterlage, um die Liebe und die Trägheit auszuleben. Vielleicht ist ja die Hitze schuld, dass sie nicht mehr machen, als stundenlang dort zu sitzen und zu liegen. Innerhalb von drei Stunden habe ich sie dort gesehen. Sie wollten nicht weg, sie umarmten sich, sie redeten miteinander, sie saßen stumm da und tranken. Der warme Sommerwind hat sie vielleicht schläfrig werden lassen, die Schwüle lässt dazu jede Bewegung überflüssig erscheinen. Es war wie eine nächtliche Siesta, wirkliche Turteltäubchen, die sich in diesem kleinen Ort zwischen Sony-Center und Tiergarten eine Höhle geschaffen haben. Marie heißt die eine, das habe ich mitbekommen, als sie kurz etwas lauter geredet haben. Aber meist waren sie ja stumm.
Viermal stand ich in dieser Zeit an der Taxihalte, nur wenige Meter entfernt. Beim letzten Mal erkannten sie mich wieder und winkten. Ich lachte und grüßte zurück. Dann beschäftigten sie sich wieder mit sich selbst. Es war ein so friedliches Bild, das Sehnsucht in mir weckte. Und das mich ein bisschen mit meiner Umwelt versöhnte, die mich vorher in Form fehlender oder schlecht gelaunter Fahrgäste geärgert hat. Um Mitternacht war der Platz dann leer. Ich dachte, dass jeder sehen müsste, dass da nun etwas fehlt. Vielleicht seh ich sie ja dort irgendwann mal wieder, Marie und ihre Freundin.
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