Was gehen mich die toten Juden an?

Wenn man solche Worte hört, denkt man an Ewig­gest­rige oder Neona­zis, die mit den Morden ihres Idols Adolf Hitler nicht konfron­tiert werden möch­ten. Aber leider sind das nicht die einzi­gen, im Gegen­teil: Ich befürchte, dass sicher die Hälfte der deut­schen Bevöl­ke­rung so denkt, dass sie mit diesem Teil unse­rer Geschichte nicht mehr konfron­tiert werden möchte.

Er passt ja auch nicht so recht zum Bild des welt­of­fe­nen Deut­schen. Und doch bin ich der Meinung, dass man nicht verges­sen darf, dass es Deutsch­land war, das den 2. Welt­krieg ange­zet­telt hat und das für die Ermor­dung von sechs Millio­nen Juden verant­wort­lich war.

Ich gehöre nicht zu denen, die den Nach­ge­bo­re­nen eine Mitschuld am Holo­caust geben, nur weil sie Deut­sche sind. Aber verges­sen wir nicht, dass das alles noch nicht so lange her ist, manche der damals Betei­lig­ten leben heute noch. Der Holo­caust gehört daher auf andere Art zu unse­rer Geschichte, als beispiels­weise Karl der Große oder der Alte Fritz. Er ist noch immer präsent, noch leben auch einige Opfer, die dem Tod im KZ entron­nen sind. Und noch verdie­nen die Groß­kon­zerne, die damals mit Zehn­tau­sen­den von Zwangs­ar­bei­tern aus den Konzen­tra­ti­ons­la­gern ihre Produk­tion gesi­chert haben.

Anders als viele andere denke ich, dass meine Gene­ra­tion und auch die folgen­den das nicht als “längst vorbei” wegwi­schen soll­ten. Zum einen, weil der Holo­caust eben noch für zahl­rei­che Opfer ganz präsent ist, aber auch, weil der Anti­se­mi­tis­mus und Rassis­mus noch immer exis­tiert — manch­mal laut grölend, manch­mal aber auch leise hinter vorge­hal­te­ner Hand. Heute sicher auch bei manchen Moslems, aber spätes­tens seit der AfD-Erfolge auch wieder offen bei zahl­rei­chen Deut­schen.

Vor allem aber darf man den Holo­caust nicht verges­sen, weil er unge­heu­er­lich war: Die indus­tri­elle Vernich­tung von 6 Millio­nen Menschen ist allein ein unvor­stell­bar großer Akt der Barba­rei. Versu­chen Sie mal, nur 1.000 Namen aufzu­sa­gen, da brau­chen Sie schon mindes­tens eine Stunde. und jeder dieser Namen ist ein Mensch, eine eigene Geschichte. All diese Geschich­ten sind verlo­ren, die Menschen in ganzen Fami­lien ausge­rot­tet, unwie­der­bring­lich sind die Erin­ne­run­gen.

Die Opfer aus unse­rer Stadt machen auch nicht mal ein Prozent aller von den Nazis ermor­de­ten Juden aus. Allein drei Millio­nen Ermor­dete kamen aus Polen, “nur” 55.696 aus Berlin. Hier lebten im Früh­jahr 1933 knapp über 160.000 Juden, im Sommer 1939 waren es noch weni­ger als die Hälfte, 75.300. Nur wenige Hundert, die nicht flie­hen konn­ten, über­leb­ten in einem Versteck.

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1 Kommentar

  1. “Die Aufnah­me­fä­hig­keit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständ­nis klein, dafür jedoch die Vergess­lich­keit groß. Aus diesen Tatsa­chen heraus hat sich jede wirkungs­volle Propa­ganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschrän­ken und diese schlag­wort­ar­tig so lange zu verwen­den, bis auch bestimmt der Letzte unter einem solchen Worte das Gewollte sich vorzu­stel­len vermag. Sowie man diesen Grund­satz opfert und viel­sei­tig werden will, wird man die Wirkung zum Zerflat­tern brin­gen, da die Menge den gebo­te­nen Stoff weder zu verdauen noch zu behal­ten vermag.” — Adolf Hitler , „Mein Kampf“ 1943, 851.–855. Aufl., S. 198

    Kennen Sie die heute verwen­de­ten Schlag­worte?
    Welche sind das?
    Welche Partie­nen benut­zen Sie?
    Wo und wie oft haben Sie diese Worte gehört oder gele­sen?
    Woran erin­nert Sie diese Art der Propa­ganda?

    “Wenn wier die Vergab­geb­heit verges­sen, hat die Geschichte eine neue Chance.” von Michael Helle­brand

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