Weltreisender

“Deinen Job möchte ich haben!”, begann die junge Dame das Gespräch, nach­dem sie mir ihr Fahrt­ziel genannt hatte.
“Wieso?”
“Die ganze Nacht durch die Welt fahren, das ist doch toll.”
“Soweit gehen die Touren aber norma­ler­weise nicht.”
“Aber Du hast bestimmt Menschen aus allen mögli­chen Ländern im Auto. Aus Frank­eich und Amerika und Asien. Ich sitze den ganzen Tag nur im Büro und freue mich schon, wenn ich mal jeman­den aus einer ande­ren Abtei­lung treffe. Ich würde mich gerne auch mal mit Leuten aus Neusee­land oder Brasi­lien unter­hal­ten.
Ihr Taxi­fah­rer in Berlin macht doch durch Eure Fahr­gäste auch Welt­rei­sen. Wenn ich mir das vorstelle, am Flug­ha­fen stei­gen Afri­ka­ner mit bunten Gewän­dern ein oder Araber mit ihren langen weißen Trach­ten, das muss toll sein.”
“Stimmt. Und kana­di­sche Baum­fäl­ler mit fetten Ketten­sä­gen…”, lachte ich nach hinten. Aber das störte sie nicht.
“Wieviel Spra­chen sprichst Du denn?”, wollte sie wissen, ohne jedoch meine Antwort abzu­war­ten.
“Du musst doch mindes­tens Englisch, Fran­zö­sisch und Spanisch spre­chen. Und Russisch. Daran würde es bei mir ja schon schei­tern. Türkisch und ein biss­chen Englisch kann ich, das ist schon alles. Aber das reicht ja nicht, wenn die Fahr­gäste aus ihrer Heimat erzäh­len sollen. Man kann ja nicht erwar­ten, dass sie alle Deutsch können. Und wir sind ja ein offe­nes Land, da können wir das wirk­lich nicht verlan­gen. Vor allem Ihr Taxi­fah­rer. Ihr seid doch die Ersten, mit denen sich die Besu­cher unter­hal­ten, wenn sie hier ankom­men. Die wollen doch bestimmt total viel wissen. Und ich als Taxi­fah­re­rin würde auch ganz viel erfah­ren wollen. Aber wie, wenn ich sie doch nicht verstehe?
Was meinen Sie? Haben Sie schon viele inter­es­sante Geschich­ten aus aller Welt gehört? Bestimmt, Sie sind ja auch kommu­ni­ka­tiv.”
Ich habe keine Ahnung, wie die Dame darauf kam, denn bisher hatte ich gar keine Gele­gen­heit, selber was zu sagen. Das war aber auch egal, denn wir waren am Ziel ange­kom­men. Ich glaube jedoch kaum, dass sie ihren Fahr­gäs­ten die Chance gege­ben hätte, etwas von sich selber zu erzäh­len.

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Zufallstreffer

1 Kommentar

  1. Schöne Geschichte. Und wahr­schein­lich würde die Dame den Job auch kosten­los machen, weil er ja quasi wie Urlaub ist.

    Inter­es­sante Vorstel­lung, dass Taxi­fah­rer alle Mutter­spra­chen der regel­mä­ßig vorkom­men­den Touris­ten spre­chen können sollen. Wo man doch bei eini­gen schon froh wäre, wenn sie Deutsch auf einem Level beherrsch­ten, der eine rudi­men­täre Verstän­di­gung (Ziel­an­sage) zulässt ;-) *klischee­off*

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