Guter Russe, böser Türke

Türkisch­stäm­mige Bürger sind in Deutsch­land schlech­ter inte­griert als größere Grup­pen ande­rer Natio­na­li­tä­ten. Obwohl in 40 Jahren vier Millio­nen Türken herka­men oder hier gebo­ren wurden, stehen sie einer neuen Studie des Berlin-Insti­tuts für Bevöl­ke­rung und Entwick­lung zufolge an letz­ter Stelle bei der Inte­gra­tion in die deut­sche Gesell­schaft. Viele von ihnen beherr­schen kaum die deut­sche Spra­che, errei­chen (auch deshalb) keinen Schul­ab­schluss und sind über­durch­schnitt­lich krimi­nell.
Dies alles sind keine Vorur­teile von rechts­ra­di­ka­len Dumm­köp­fen, sondern es ist die Reali­tät in unse­rem Land.  Aber warum ist das so? Sind Türken dümmere und schlech­tere Menschen als z.B. Schwei­zer, Schwe­den oder Schwa­ben? Oder verweh­ren die Deut­schen ihnen etwa die Chance, Teil der Gesell­schaft zu werden, viel­leicht gar aus rassis­ti­schen Grün­den? Beides dürfte falsch sein, denn abge­se­hen von einem klei­nen Teil wirk­li­cher Auslän­der­feinde hat sich die deut­sche Bevöl­ke­rung schon lange daran gewöhnt, dass ihre Nach­barn und Kolle­gen Ahmed, Ali oder Ayse heißen. Auch wenn man manche Bräu­che nicht versteht, so ist die Fremd­heit im Alltag doch klei­ner als z.B. gegen­über Afri­ka­nern oder Asia­ten. Und doch sind diese Grup­pen in unse­rem Land inte­grier­ter, als sehr viele Türken.

Viel­leicht ist es ausge­rech­net die Masse, die es verhin­dert, dass viele Türkisch­stäm­mige in unse­rer Gesell­schaft ankom­men. In manchen Stadt­tei­len leben 50 oder 60 Prozent Türken, mit völlig unab­hän­gi­ger Infra­struk­tur, von Ärzten über Einzel­han­del, Loka­len, Dienst­leis­tungs­fir­men bis zu allen mögli­chen Kultur­ein­rich­tun­gen. Man kann Jahr­zehnte dort leben, ohne ein einzi­ges Wort Deutsch zu spre­chen oder zu verste­hen. Solch eine Paral­lel­ge­sell­schaft macht eine Inte­gra­tion schein­bar über­flüs­sig. Dass es solche Gegen­den über­haupt gibt, ist aber nicht die Schuld der Türken, sondern der Poli­tik in den 60er und 70er Jahren. Die dama­li­gen Zuwan­de­rer wurden noch Gast­ar­bei­ter genannt und sie woll­ten und soll­ten tatsäch­lich nur für ein paar Jahre hier blei­ben. Die Stadt­ver­wal­tun­gen brach­ten sie meist konzen­triert in einem Wohn­vier­tel unter, so entwi­ckel­ten sich ghet­to­ähn­li­che Verhält­nisse, und sie rich­te­ten sich darin ein. Auch die Kinder und Enkel wuch­sen dort auf, fein getrennt von den Einhei­mi­schen, und so ist es kein Wunder, dass viele von ihnen kein Deutsch können. Bei der Einschu­lung begin­nen dann die Probleme, denn natür­lich ist der Unter­richt nicht in türki­scher Spra­che. Ob in der Schule oder in der Frei­zeit, wer vom Rest der Gesell­schaft isoliert ist, schmort im eige­nen Saft und wird sich auch mit der Kultur und den Gepflo­gen­hei­ten des Landes nicht ausein­an­der­set­zen. Das Ergeb­nis sind Werte­vor­stel­lun­gen, die mit den hiesi­gen wenig zu tun haben.

Dass viele türki­sche Kinder und Jugend­li­che so schlecht in der Schule sind, liegt also vor allem daran, dass sie sich von der Gesell­schaft in Deutsch­land isolie­ren, obwohl sie doch mitten drin leben. Ange­hö­rige ande­rer Natio­na­li­tä­ten, wie Russen, Italie­ner oder Ceylo­ne­sen versu­chen meist viel mehr, Teil der Gesell­schaft zu werden, anstatt sich nur abzu­gren­zen. Dabei geht es gar nicht um Assi­mi­la­tion, also um die Auslö­schung der eige­nen Natio­na­li­tät. Die Huge­not­ten sind z.B. völlig in der deut­schen Bevöl­ke­rung aufge­gan­gen, außer ein paar fran­zö­si­schen Worten und Namen ist von ihnen nichts mehr übrig. Der Mittel­weg aber sollte das Ziel sein, eine Inte­gra­tion, die in beide Rich­tun­gen geht. Sich als Teil des Landes zu begrei­fen, ohne natio­nale Eigen­hei­ten aufzu­ge­ben. Davon profi­tie­ren Migran­ten genauso wie wir Einge­bo­re­nen, es wäre eine Berei­che­rung für alle. Doch außer, dass sich in 40 Jahren der Döner Kebab durch­ge­setzt hat, ist wenig spezi­ell Türki­sches ange­kom­men.
Die Selbst­iso­la­tion raubt den jungen Türken viele Chan­cen für die eigene Zukunft. Wer die Spra­che nicht beherrscht, hat doch viel weni­ger Möglich­kei­ten, sein Leben so zu gestal­ten, wie er es gerne möchte. Man ist auf sein klei­nes Ghetto der Paral­lel­ge­sell­schaft beschränkt, kann nicht studie­ren, die beruf­li­chen Perspek­ti­ven schrump­fen.

Und je mehr Migran­ten sich von der Gesell­schaft abwen­den, umso größer wird die gegen­sei­tige Ableh­nung. Es ist ein Teufels­kreis, der vor allem von einer Seite durch­bro­chen werden kann. Es sind die jungen Türken, die Kontakte nach außen knüp­fen und die Schule als Chance begrei­fen müssen. Nur wer sich in der Gesell­schaft souve­rän bewe­gen kann, wird sich im Leben auch gegen die Wider­stände durch­set­zen können. Egal, ob diese von konser­va­ti­ven Patri­ar­chen in der eige­nen Fami­lie kommen oder von rassis­ti­schen Deut­schen.

Foto: Hayo von Reyher / CC BY-SA 4.0

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2 Kommentare

  1. “russen ist besser als türken”
    …im ersten Moment habe ich gele­sen: “Russen sind besser als Türken”. Sollte das so gemeint sein, dann kann ich nur sagen DU hast ein Rad ab. Im Grund­satz ist Niemand “besser als ein Ande­rer und schon garnicht ist ein ganzes Volk besser als ein ande­res. Ein bischen viel mehr Delail­be­trach­tung ist da wohl sehr ange­bracht wenn es um Menschen oder Bevöl­ke­rungs­grup­pen geht!

    Sollte der obrige Ausspruch etwas ganz ande­res bedeu­ten, und ich hab es nur nicht verstan­den, dann entschul­dige ich mich hier­mit für meinen Ausbruch. Aber für eine kleine Erklä­rung wäre ich dann dank­bar.

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