Ulrichs Straße

Es gibt in Berlin immer wieder mal Stra­ßen­um­be­nen­nun­gen. Und fast jedes Mal legen Anwoh­ner und lokale Gewer­be­trei­bende Protest dage­gen ein. Meis­tens deshalb, weil sie zu bequem sind, ihre Ausweise auf den neuen Namen ändern zu lassen. Dann wohnen sie lieber weiter­hin in einer Straße, die nach einem Nazi oder Kolo­nia­lis­ten heißen.

So haben auch die Bewoh­ner der Steglit­zer Treit­sch­ke­straße offen­bar kein Problem mit dem Namens­ge­ber. Treit­schke veröf­fent­lichte im 19. Jahr­hun­dert seine Schrift “Einbruch des Judenth­ums in das deut­sche Leben”, auf die die Nazis später ihre anti­se­mi­ti­sche Ideo­lo­gie aufbau­ten. “Die Juden sind unser Unglück” zitierte 50 Jahre danach das Nazi­blatt Stür­mer den Autor. Nach Protes­ten der Anwoh­ner zog der Bezirk die geplante Umbe­nen­nung zurück.
Auch als die Reichs­sport­feld­straße nach den anti­fa­schis­ti­schen Sport­lern Alfred und Gustav Flatow benannt wurde, protes­tier­ten Anwoh­ner.

Vor drei Jahren sollte nun auch die Einem­straße einen neuen Namen erhal­ten. Sie verbin­det den Nollen­dorf­platz in Schö­ne­berg mit dem Lützow­platz in Tier­gar­ten. Die beiden Bezirke hatten sich darauf geei­nigt, der Straße den Namen Karl-Hein­rich-Ulrichs-Straße zu geben.
Karl von Einem war vor rund 100 Jahren als preu­ßi­scher Kriegs­mi­nis­ter einer der Verant­wort­li­chen des Kolo­nia­lis­mus in Deutsch-Südwest­afrika (heute: Nami­bia). Er schrieb nach dem Völker­mord an den Herero, dass er stolz auf seine Solda­ten seien, die diese “Leis­tun­gen für Deutsch­land” erbrach­ten. Gleich­zei­tig forderte er die Vernich­tung von homo­se­xu­el­len Solda­ten und Offi­zie­ren in der preu­ßi­schen Armee.

So etwas kommt im schwu­len Kiez am Nolli nicht so gut an. Deshalb hat man dort auch die Umbe­nen­nung der Straße begrüßt, die heute nach Karl Hein­rich Ulrichs heißt. Der Jurist Ulrichs war bereits in den 1860er Jahren einer der Vorkämp­fer von Schwu­len­rech­ten, wandte sich gegen diskri­mi­nie­rende Gesetze und warb für die Aner­ken­nung der Ehe gleich­ge­schlecht­li­cher Part­ner. Er wurde ange­grif­fen und schließ­lich gezwun­gen, Deutsch­land zu verlas­sen.

Die Umbe­nen­nung der Einem­straße konnte 2013 jedoch nur im Schö­ne­ber­ger Teil der Straße erfol­gen. Im nörd­li­chen Teil hatte eine Anwoh­ne­rin vor dem Verwal­tungs­ge­richt gegen die Umbe­nen­nung geklagt. Diese Klage wurde nun abge­wie­sen und so wird die Einem­straße in Tier­gar­ten ab Mitte Dezem­ber nun auch Karl-Hein­rich-Ulrichs-Straße heißen. Ob es wirk­lich dieser elend lange Stra­ßen­name sein musste, bleibt dahin­ge­stellt, aber wenigs­tens gibt es jetzt eine grund­sätz­li­che und posi­tive Entschei­dung.

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2 Kommentare

  1. Schon im ersten Kapi­tel der Suche nach der Mitte von Berlin https://www.berlinstreet.net/13358 wird diese unse­lige Stra­ßen­um­nen­ne­rei erwähnt, und später im Buch wird sie wieder auftau­chen. Was dort nicht erwähnt wird, ist eine Straße ganz in der Nähe der Treit­sch­ke­straße. Sie war zunächst nach Ludwig Barnay benannt. 1940 erfolgte durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten die Umbe­nen­nung nach dem 1929 verstor­be­nen Schau­spie­ler Albert Stein­rück in Stein­rück­weg. Eine Rück­be­nen­nung erfolgte nie, nur ein klei­nes Zusatzsch­schild weist auf den frühe­ren namen hin.

    Stein­rück spielte in den großen, immer noch sehens­wer­ten Frie­de­ri­cus-Rex-Filmen den “Solda­ten­kö­nig” Fried­rich Wilhelm I.

    Man bekommt den Eindruck, dass die Arti­kel von Aro Kuhrt in letz­ter Zeit immer haar­scharf an Fried­rich Wilhelm I. vorbei­schram­men, einem König, der uns auch auf der suche nach der Mitte von Berlin https://www.berlinstreet.net/rubrik/mitte in Zukunft immer häufi­ger begeg­nen wird.

  2. In Düssel­dorf packte man die Stra­ßen­um­be­nen­ne­rei subti­ler an. Die Graf-Adolf-Straße in der Innen­stadt wurde in Adolf-Hitler-Straße umbe­nannt, was sich jeder gut merken konnte, und tausend Jahre später wieder rück­be­nannt. Angeb­lich fragte dann in den 1950er Jahren eine alte Dame einmal einen Poli­zis­ten nach dem Weg zur Adolf-Hitler-Straße, worauf­hin dieser streng darauf hinwies, dass sie doch wohl die Graf-Adolf-Straße meine. Ihre Reak­tion: “Das hat er aber auch verdient.”

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