Jede Fahrt geht mal zu Ende

Im März dieses Jahres habe ich mir eine Grippe einge­fan­gen und bin natür­lich nicht Taxi gefah­ren. Ab April kam dann Kurz­ar­beit null, denn in der Nacht­schicht war nichts mehr zu tun. Alle Restau­rants, Clubs, Thea­ter usw. wegen Corona geschlos­sen, keine Touris­ten mehr in der Stadt. Das hat sich zwar teil­weise wieder geän­dert, aber die Umsätze sind nachts noch immer unter­ir­disch.

Dazu kommt, was schon in der Vergan­gen­heit immer wieder der Fall war: Die Betriebs­füh­rung gibt den Druck nach unten an die Fahre­rIn­nen weiter. Zum 1. August soll­ten wir eine Betriebs­ver­ein­ba­rung unter­zeich­nen. Darin wurden wir verpflich­tet, einen Mindest­um­satz pro gefah­re­nen Kilo­me­ter abzu­lie­fern. Falls wir das nicht schaf­fen, sollen wir eine Straf­zah­lung leis­ten. Schon vorher war uns der Mindest­lohn verwehrt worden.

Allein dieses unso­li­da­ri­sche Verhal­ten hat mir bereits gereicht, meine Kündi­gung einzu­rei­chen. Unter solchen Bedin­gun­gen will ich dort nicht mehr arbei­ten. Und was die Umsätze betrifft, wird das Problem sicher nicht besser. Die Konkur­renz durch Uber und andere ist immer stär­ker gewor­den.

Als ich meine Kündi­gung abge­ge­ben habe, versuchte mein Chef, mich zum Blei­ben zu bewe­gen. Die Betriebs­ver­ein­ba­rung müsste für mich ja nicht gelten, sagte er. Aber es geht ums Prin­zip. Wenn das Vertrauen erst­mal zerstört ist, will ich auch nicht für ihn arbei­ten. Zumal diese Zusage nur für mich gelten sollte, nicht für meine Kolle­gIn­nen.

Beim Verlas­sen der Firma sah ich dann auf dem Hof die Hälfte der Taxi­flotte stehen, manche offen­bar schon seit Mona­ten. Da nicht mehr Autos dort hin passen, steht der Rest vermut­lich woan­ders.

Für mich hat sich das Thema Taxi nun wohl erle­digt. Nach 20 Jahren habe ich meinen Lieb­lings­job verlo­ren.

 

print

Zufallstreffer

Berlin

BVG-Busfahrer

Mehr­mals in der Woche steht in der Zeitung, dass irgendwo in Berlin wieder ein Busfah­rer der BVG ange­grif­fen wurde. Die Gründe dafür stehen meist nicht dabei, viel­leicht sind sie auch nicht bekannt. Sicher kann man […]

10 Kommentare

  1. Moin Aro,
    das tut bestimmt weh, wenn man etwas, das man mit Herz­blut gemacht hat, auf diese Weise aufge­ben muss.
    Solch unse­riö­sen Unter­neh­mern muss drin­gend Einhalt gebo­ten werden wobei ich befürchte, dass Deine Chefs noch nicht einmal die schwär­zes­ten Schafe der Bran­che sind.
    Du könn­test jetzt wahr­schein­lich derbe nach­tre­ten, und Verstöße gegen das Mindest­lohn­ge­setz entspre­chend anzei­gen und natür­lich auch den Mindest­lohn nach­for­dern. Viel­leicht haben die Verstöße ja Auswir­kung auf die Beur­tei­lung der Verläss­lich­keit als Unter­neh­mer bei Verlän­ge­run­gen der Betriebs­er­laub­nis.
    Was ist eigent­lich mit der Betriebs­pflicht der gepark­ten Flotte? Ruhen die Konzen?
    Ich wünsche Dir jetzt möglichst bald eine neue Beschäf­ti­gung, die Du mit ähnli­cher Freude machen magst.
    Herz­li­che Grüße
    Frank

    • Hallo Frank,
      danke für Deine netten Wünsche!
      Leider ist das ja ein Trend in der gesam­ten Bran­che, meine Ex-Chefs sind da nicht die Ausnahme. Dass der Druck nach unten weiter­ge­ge­ben wird, ist leider normal. Die Entwick­lung ist auch nicht ganz neu.
      Klar, ich könnte versu­chen, im Nach­hin­ein meinen Mindest­lohn einzu­kla­gen. Dann würden aber vermut­lich die letz­ten verblie­be­nen Kolle­gen auch ihren Job verlie­ren, das ist es mir nicht wert.
      Die vielen Taxis sind abge­mel­det, ich schätze, dass sie Rich­tung Polen verkauft werden. Die Firma wird ein ande­res Geschäft aufma­chen, vermut­lich Alten­pflege oder Kran­ken­trans­port. Das sind ja sichere Geschäfts­fel­der.

  2. Mit unso­li­da­risch hat das ja nicht viel zu tun, dem Arbeit­ge­ber wird das Wasser bis zum Hals stehen und wenn die Einnah­men in diesem Jahr um geschätzte 30% unter den Erwar­tun­gen liegen, bedeu­tet das schlicht und einfach, daß der AG drauf­zahlt. Das dieses nicht lange gut gehen kann, dafür muß man kein BWL studie­ren. In dem Gewerbe wird halt nicht viel umge­setzt, weil es eine (teure) Dienst­leis­tung ist, auf die man mit etwas Planung sehr häufig verzich­ten kann. Ein klei­ner Luxus, zumin­dest für den Privat­mann. Der geringe Ertrag im Verhält­niss zum Kapi­tal­ein­satz verführt natür­lich dazu, Vorschrif­ten zurech­zu­bie­gen. Ein seriö­ser und voraus­schau­en­der Unter­neh­mer würde heute wohl kaum ins Taxi­ge­werbe inves­tie­ren, der kauft lieber ein paar abge­fuckte Wohnun­gen in einem zukünf­ti­gen Hipster­vier­tel in Berlin und lässt die Zeit für sich arbei­ten.

    • Doch, das hat sehr viel mit unso­li­da­risch zu tun. Sonst würde es ja in alles Betrie­ben so laufen, was nicht der Fall ist. Es gibt korrekte Arbeit­ge­ber und eben solche. Dass man in einer wirt­schaft­lich ange­schla­ge­nen Situa­tion reagie­ren muss, ist klar. Aber einfach nur den Druck nach unten weiter­ge­ben und sich dann einen SUV kaufen, ist ganz einfach asozial.

  3. Warum sollte es dann in allen Betrie­ben so laufen? Jeder Betrieb hat andere Struk­tu­ren, einer finan­ziert viel­leicht alles über Leasing, ein ande­rer über die Haus­bank und ein mancher bezahlt die Fahr­zeuge viel­leicht sogar bar. Beim einen arbei­tet die Fami­lie mit und der Betrieb befin­det sich in eige­nen Gebäu­den, ein ande­rer muß für alles bezah­len. Die Voraus­set­zun­gen sind anders und somit auch die Probleme, die so ein Umsatz­ein­bruch mit sich bringt. Hat den Dein Ex-Chef den SUV bestellt? Viel­leicht vor Corona?

  4. Ist es ein Unter­schied, ob der SUV vor der Pande­mie bestellt, oder jetzt einfach gekauft wurde? Es wäre auch möglich, statt diese Protz­karre anzu­schaf­fen, Rück­la­gen zu bilden, für Zeiten, in denen es schlecht läuft. Bei Einfüh­rung des Mindest­loh­nes gab es diese Diskus­sio­nen auch. Was wurde da gejam­mert, vor allem von Unter­neh­mern, die in dicken Autos umher roll­ten, aber auch von ange­stell­ten Fahrern. Die Trix­e­reien, Vorschrif­ten zu umge­hen, sind ja bekannt und die gehen immer zu Lasten derer, die die Arbeit machen. Da hat sich nichts geän­dert, es wird zum Beispiel Kurz­ar­beit gemacht und die Fahrer stel­len am Stand­platz das Taxa­me­ter auf Pause, weil sie der Auffas­sung des Unter­neh­mers folgen, daß die Warte­zeit an der Halte ja auch als Frei­zeit gewer­tet werden kann. Da muß man nicht BWL studie­ren, um es zu verste­hen. Das ist Dumm­heit und Betrug.

    • Die Fahrer stel­len das Taxa­me­ter gar nicht auf Pause, sondern die sind mitt­ler­weile so program­miert: Wenn das Fahr­zeug (ohne Fahr­gast) drei Minu­ten steht, werden die meis­ten Taxa­me­ter auto­ma­tisch auf Pause gestellt.
      Wir wurden damals offi­zi­ell darüber infor­miert, dass wir das nicht mani­pu­lie­ren dürfen, weil das sonst als Betrug gewer­tet würde.
      Betrug ist es aber jetzt, wenn man an der Halte steht und trotz­dem nicht mal den Mindest­lohn bekommt.

  5. Hallo Aro,
    wie war das noch, darf ich an der Halte parken, wenn ich Pause mache? Da war doch was hinsicht­lich Bereit­hal­ten und sofor­ti­ger Fahrt­an­tritt. Bereit­hal­ten ist defi­ni­tiv keine Pause, das bestä­tigt jeder Jurist im ersten Prak­ti­kum.
    Die Schraube ist doch noch nicht am Ende, wenn da alle mitma­chen aus Angst den Job zu verlie­ren kommt morgen eine arme Sau, die auf eigene Rech­nung das Auto wäscht oder sogar tankt. Haupt­sa­che nach 14 Stun­den 40 Euro verdient.
    Gruß Frank

Hier kannst Du kommentieren

Deine Mailadresse ist nicht offen sichtbar.


*