Berlin hat derzeit 170 U‑Bahnhöfe, demnächst kommen am Tiergarten noch drei weitere dazu. Doch die spezielle Geschichte unserer Stadt bringt es mit sich, dass es daneben noch weitere unterirdische Bahnbauten gibt, die nicht mehr gebraucht werden oder sogar niemals in Betrieb waren. Dazu gehört auch die Linie U10, die unter Haupt- und Rheinstraße in Friedenau Richtung Lichterfelde führen sollte.
Da die S‑Bahn zu Ost-Berlin gehörte, wollte der West-Berliner Senat von ihr unabhängige U‑Bahn-Strecken bauen, selbst wenn sie teilweise nur wenige Meter voneinander entfernt verlaufen. Dazu gehörte auch die U10, sowie der fertiggestellte nördliche Teil der U8, der vom Gesundbrunnen ins Märkische Viertel führt. Mit der Übernahme der S‑Bahn durch die BVG im Januar 1984 wurden diese Pläne überflüssig, doch manche Baustellen wurden noch zu Ende gebracht, andere waren längst fertig und liegen bis heute brach.
Hier eine kleine Übersicht über Bahnsteige der U- und S‑Bahn, an denen wohl niemals ein Zug halten wird:
Anhalter Bahnhof, Moritzplatz
In den 30er Jahren war der Anhalter faktisch der Hauptbahnhof von Berlin. Bei der Anlegung des unterirdischen S‑Bahnhofs wurden die beiden äußeren Gleise für eine neue Strecke eingeplant, die über Koch- und Oranienstraße zum Görlitzer Bahnhof führen sollte. Der Moritzplatz hat deshalb heute eine solch großzügige Zwischenetage, weil er als Umsteigebahnhof dieser Strecke geplant war.
Schlossstraße, Innsbrucker Platz, Alexanderplatz
Die schon angesprochene U10 sollte, vom Innsbrucker Platz kommend, bis zur Kreuzung Unter den Eichen / Drakestraße führen. Deshalb wurden am Bhf. Schlossstraße zwei übereinander liegende Bahnhsteige gebaut, für die vollendete U9 und die nie gebaute U10. Heute ist an jedem dieser Bahnsteige nur jeweils ein Gleis vorhanden.
Auch am Innsbrucker Platz existiert bereits ein Bahnsteig für die U10. Später sollte die Linie übrigens Richtung Norden über Potsdamer Platz und Leipziger Straße bis nach Weißensee verlängert werden. Auch diese Pläne verschwanden nach der Wiedervereinigung in der Schublade, hinterließen aber am Bahnhof Alexanderplatz zwei Bahngleise, die heute als Abstellgleise für die U5 dienen.
Jungfernheide, Turmstraße
Es ist auch die U5, für die es schon zu Mauerzeiten eine Planung gab, die sie vom heutigen Endpunkt Alexanderplatz bis zum Bahnhof Jungfernheide und darüber hinaus zum Flughafen Tegel führte. An der Jungfernheide sollte sie auf die U7 nach Spandau treffen. An beiden vorhandenen Bahnsteigen gibt es deshalb jeweils einen leeren Gleistrog.
Auf ihrem Weg zur Jungfernheide hätte die U5 auch die U9 gekreuzt. Deshalb liegt heute der U‑Bhf. Turmstraße in Moabit sehr tief, denn hier war ein Umsteigebahnhof geplant.
Rathaus Spandau
Hier gibt es ebenfalls zwei Bahnsteige, an denen jeweils nur ein Gleis liegt. Der Platz war vorgesehen für eine Verlängerung der U2, die heute am Bahnhof Ruhleben endet. Die Planung sah eine Verlängerung über Rathaus Spandau bis zum Falkenhagener Feld und nach Hakenfelde vor. Deshalb auch hier ein Umsteigebahnhof.
Deutsche Oper
Genauso sieht es in Charlottenburg aus, aber hier hat es eine andere Ursache, dass sich zwei Gleise einen breite Bahnhof teilen, der für vier Gleise gebaut wurde. Tatsächlich fuhren hier von 1906 bis 1970 Bahnen, nämlich die alte Strecke zum Richard-Wagner-Platz. Mit dem Neubau der U7 entstand nur ein paar hundert Meter weiter mit dem Bhf. Bismarckstraße ein neuer Umsteigebahnhof.
Messe Nord / ICC, Westend
Zwischen diesen Bahnhöfen der Ringbahn fuhren bis in den Krieg hinein auch die Züge einer nicht mehr existierenden Strecke: Vom Bhf. Charlottenburg kommend bogen sie vor dem Westkreuz nach Norden ab. Deshalb haben die S‑Bahnhöfe Messe Nord / ICC sowie Westend noch heute zwei Bahnsteige, obwohl es nur ein Gleispaar gibt.
Foto: L.Willms / CC BY-SA 3.0
Einen toten Bahnsteig neueren Datums gibt es unter dem Potsdamer Platz — für welche Linie auch immer. Da wird wohl auch nie ein Zug durchfahren…
Ich schätze, der gehört auch zur einst geplanten Linie 10, die ja unterm Potsdamer Platz durchführen sollte.
Erst einmal Danke für diesen tollen Artikel. Einiges wusste ich schon von Führungen und diversen veranstaltungen der BVG. Allerding war mir das mit dem U‑Bahnhof Turmstrasse als Umsteigebahnhof nicht bekannt. Aber dank diesen Artikels weiss ich es jetzt und werde mich mal demnächt dort besser umsehen.