03 • Unsere Straßenspiele

Wir haben viel mitein­an­der gespielt, sind viel runter gegan­gen auf die Straße. Damals war das ja so, dass es unge­fähr­lich war, auf der Straße zu spie­len. Es fuhren Autos doch so gut wie gar nicht, irgend­wann mal ein Pfer­de­wa­gen. Wir haben Völker­ball gespielt, mit nem Trie­sel und Hopse und Prell­ball und Schlag­ball, alles auf der Straße gespielt. Beim Völker­ball wurde in der Mitte ein weißer Krei­de­strich gezo­gen auf dem Damm und rechts und links der Trot­toir war eben die Grenze, und da haben wir Völker­ball mitten auf dem Damm gespielt.

Und wir sind viel gegan­gen auf die dama­lige Gebau­erwiese, also das ist das Gebiet, auf dem heute der Frucht­markt ist. Das ist vor dem Ersten Welt­krieg schon mal abge­räumt worden, um da eine Markt­halle zu bauen, und dann wurde das Gelände aber erst nach dem Zwei­ten Welt­kriege bebaut. Solange lag das da alles brach bezie­hungs­weise es waren Lauben teil­weise drauf und so Kohlen­händ­ler und so weiter, die da ihre Lager und so was hatten. Da sind wir viel spie­len gegan­gen oder in die Kleine Heide, das ist gegen­über vom Jugend­ge­fäng­nis, also wo heute der Görde­ler­damm lang­geht, am Kanal. Gegen­über vom Gefäng­nis, auf der ande­ren Seite, war noch Wald, das nannte sich die Kleine Heide, da sind wir auch viel hinge­gan­gen.

Oder auch auf die Vogel­heide, die lag ein Stück hinter’m Frei­bad Plöt­zen­see. Wo wir viel hinge­gan­gen sind, war das Frei­bad Plöt­zen­see. Also, wir sind da schon hinge­gan­gen, als es noch gar kein Frei­bad war. Mein Vater war ein eifri­ger Schwim­mer, also er ist zwar nicht Sport geschwom­men, aber er ist gerne geschwom­men. Und da ist der mit uns immer im Sommer, wenn es schön war und er fertig war mit seiner Abrech­nung, noch nach Plöt­zen­see schwim­men gegan­gen.

Zimmer und Wohnung waren ledig­lich für den Winter notwen­dig. Aber im Winter sind wir rüber­ge­lau­fen von Moabit zu dem Leut­nants­berg, was heute der Volks­park Rehberge ist, da sind ja doch ein paar Erhe­bun­gen, unter ande­rem da, wo das frühere Rathen­au­denk­mal mal stand. Na, das war der Leut­nants­berg, das war die höchste Erhe­bung. Da sind wir dann rodeln gegan­gen bis dahin, obwohl wir nicht mal rich­tige Stie­fel hatten oder so was. Mit Halb­schu­hen, mit Sanda­len zum Rodeln!

Hilde­gard Schön­rock: Wir kamen gerade so hin
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