14 • Im Kino

Ich bin meis­tens immer gegan­gen zur Turm­straße, Ecke Wils­na­cker, das hieß BTL. Das lag hinten im Hof, man kam von der Turm- und von der Wils­na­cker Straße rein. Ich weiß nicht, ob es das heute noch gibt, es kann ja sein, dass es nicht mehr exis­tiert. [Es wurde 1982 abge­ris­sen].

Soweit ich mich erin­nern kann, war es das einzige, was schon vor dem Ersten Welt­krieg als Kino gebaut worden ist. Das Bolle-Kino war eine Kirche — die hatte Bolle gebaut für seine Beschäf­tig­ten, die muss­ten da hinge­hen, war, glaube ich, bis zum Ende des Ersten Welt­krie­ges. Oder das Hansa­kino, heute Hansa-Thea­ter. Das Gesell­schafts­haus in der Wiclef­straße oder in der Stend­a­ler Straße, das waren frühere Tanz­säle, die alle zu Kinos gemacht wurden. Zum größ­ten Teil wurden die nach dem 1. Welt­krieg umge­baut. Früher war die Haupt­be­schäf­ti­gung der jünge­ren Leute, dass sie sonn­abends, sonn­tags eben tanzen gingen.

Damals, Anfang der 20er Jahre, gingen die Leute alle plötz­lich ins Kino, da war die Nach­frage so groß, und es war wirk­lich so, wenn sie sonn­abends oder sonn­tags ins Kino woll­ten und sich keine Karten vorher geholt hatten, dann kamen sie einfach nicht rein. Obwohl immer drei Vorstel­lun­gen waren, manch­mal auch vier. Fünf, sieben und neun oder drei, fünf, sieben und neun Uhr.

Meine Eltern sind nie zusam­men ins Kino gegan­gen. Mein Vater hatte nichts übrig für Kino, der war immer so enga­giert für alles mögli­che, da hatte er für Kino gar keine Zeit. Und wenn, dann ging meine Mutter mal mit uns, alleine ist sie nie gegan­gen.

Wir haben uns immer ausge­sucht, was es gab. Habe alles mögli­che gese­hen. Zuerst waren es alles noch Stumm­filme. Bestimmte Schau­spie­ler hatte ich gar nicht. Es gab ja damals einen Film, “Revolte im Erzie­hungs­haus”, nach einem Thea­ter­stück gemacht, das gab es damals schon als Film, als Stumm­film noch. Sowas hatte mich inter­es­siert, bin ich hinge­gan­gen, habe ich mir ange­se­hen. Oder wir haben uns reine Unter­hal­tungs­filme ange­se­hen.

Nach­her, als der Tonfilm aufkam, ich weiß, mein aller­ers­ter Tonfilm, den ich sah, war der mit Al John­son, den gab es schon 1928, ehe hier die deut­schen Filme raus­ka­men. Da hatten sie in der Zwischen­zeit das UFA Turm­straße, Ecke Strom­straße gebaut gehabt, und das hatte schon eine Einrich­tung für Ton, die ande­ren hatten das ja alle noch gar nicht. Und da spiel­ten sie das.

Und der erste deut­sche Tonfilm, den ich gese­hen habe, war “Die Nacht gehört uns”, mit Hans Albers und Char­lotte Ander, glaube ich. Bald danach den ersten Film vom Unter­gang der Tita­nic, “Atlan­tis” oder “Atlan­tik” hieß der, mit dem Fritz Kort­ner und der Johanna Hofer, der Lucie Mann­heim, dem Willi Forst schon, als ganz junger Mann, und dem Lede­rer, Josef Lede­rer, der nach­her nach England gegan­gen ist. Das war auch einer der aller­ers­ten Tonfilme, die es damals gab. Da sind wir schon inter­es­se­hal­ber hinge­gan­gen, wie das nun so ist. Außer­dem war das wirk­lich ein guter Film. Haben sie ja jetzt noch irgend­wann gespielt.

Und außer­dem bin ich immer ins Thea­ter gegan­gen. Ich war Mitglied der Volks­bühne schon damals als 16–17-Jährige, als ich mein erstes eige­nes Geld verdiente. Die Volks­bühne war ja da, wo sie heute noch steht, am dama­li­gen Bülow­platz, heute ist es Rosa-Luxem­burg-Platz. Die hatten aber auch im Jahr eine Oper dabei. Und dann war in der dama­li­gen Alten Jakobstraße und Wall­ner­thea­ter­straße, da waren so eine ganze Reihe Thea­ter, Wall­ner­thea­ter, Zentral­thea­ter, Thalia-Thea­ter und so weiter, die mehr oder weni­ger Volks­stü­cke und so was alles spiel­ten. Das kam zuerst 80 Pfen­nig, später 1 Mark für eine Karte, und dann wurden, wie es heute noch üblich ist, die Plätze gezo­gen, ausge­lost.

Hilde­gard Schön­rock: Wir kamen gerade so hin
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