
Seit April 1925 bin ich in der “Arbeiterjugend” gewesen, wir hatten in der Woche zweimal Gruppenabend, einmal Turnen, sonnabends oder sonntags sind wir wandern gegangen. Ins Theater und Kino sind wir meistens zu mehreren gegangen, da waren wir immer eine ganze Gruppe, obwohl ja immer nur zwei zusammen sitzen konnten, aber wir waren immer so 12, 15, 18 Leute, die zusammen gingen. Wir waren alle aus Moabit, hier aus unserem Bekanntenkreis. In diesem Kreis haben sich auch Freundschaften ergeben, wo ergibt sich das nicht? Aber wir haben doch an verschiedenen Stellen gearbeitet, nicht in Moabit direkt, die mussten alle zur Arbeit fahren.
Wir hatten von der “Arbeiterjugend” in Moabit zwei Gruppen, Moabit 1 und 2. Wir waren 1, und wir waren in der weltlichen Schule, wir hatten da einen Raum, den hatten wir uns selber ausgestattet. Die Jungens gemalert, und wir haben Gardinen rangemacht und angestrichen und was weiß ich was alles. Die anderen waren in der Lehrter Straße, da war ein städtisches Jugendheim. Und wir trafen uns, wenn unsere Gruppenabende aus waren, die gingen immer so bis halb zehn, dann zogen wir von der Seite und von der Seite zum UFA Turmstraße und da trafen wir uns dann.
Und da wurden wir auch verjagt von der Polizei, die Polizei war damals Wilhelmshavener, Ecke Bugenhagenstraße. Dann sind wir in den Kleinen Tiergarten gegangen. Und da stellten sich dann immer hauptsächlich welche von der “Kommunistischen Jugend” und auch von “Fichte Wandersparte” ein. Da haben wir dann diskutiert, aber wir sind immer friedlich miteinander gewesen. Wir haben uns nie irgendwie geschlagen oder so, das kam nicht in Frage. Wir kannten alle unsere Leute.
Wir waren zum Beispiel 1929 zum Arbeiterjugendtag in Wien. Und wir sitzen auf der Hohen Warte, und wer sagt plötzlich “Guten Tag” zu uns? Da sind es drei von der “Kommunistischen Jugend” von Moabit. Die wollten uns immer überzeugen. Ich kann mich noch ganz genau erinnern, da war ein Mädchen bei, so eine kleine Untersetzte, die hatte immer ihr “Kapital” unter’m Arm. Also, die wollte, kam mit allem, bei allen Sachen kam die immer mit Aussprüchen aus dem “Kapital”.
Dass wir in der “Arbeiterjugend” waren, das war für uns selbstverständlich. Mein Vater, für den war das selbstverständlich, und für uns war das eigentlich auch selbstverständlich. Wir sind da so hineingewachsen. Auch meine Mutter war Mitglied der Partei, hat auch bei Demonstrationen mitgemacht. Ich bin das erste Mal mit meinem Vater zum 1. Mai — das muss 1920 gewesen sein, war ich neun Jahre alt — zum ersten Mal zum 1. Mai mitgegangen. Und — ich meine, wir von Moabit, wir trafen uns immer im Kleinen Tiergarten, und da kamen dann die ganzen Arbeiter von den Fabriken da alle mit zu, von der Sickingen- und Berlichingenstraße und so weiter, wo da die ganzen Fabriken da überall waren, die kamen da alle mit und dann sind wir schön marschiert bis zum Lustgarten. Und wieder nach Hause. Bei jedem Wetter. Und damals, da gab es noch keine Lautsprecher, da waren eben ungezählte Redner, die alle durch Megaphon dann überall redeten.
Hildegard Schönrock: Wir kamen gerade so hin
01 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 | 15 | 16 | 17
Schreibe den ersten Kommentar